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Apple stellt den iPod ein
Die Musik auf unserem iPod sagte, wer wir waren

Kunden hören 2006 Musik in einem Londoner Apple-Laden. Über 450 Millionen iPods der verschiedenen Generationen konnte das Unternehmen verkaufen. 
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Was dem Musikgerät von Apple widerfährt, hat der französische Philosoph Paul Virilio als Gesetz der Dromologie formuliert, dem Gesetz der Schnelligkeit. Vereinfacht gesagt, ersetzt jedes schnellere, also effizientere Fahrzeug das langsamere. Virilio interpretierte diese Beschleunigung als verborgene Seiten von Reichtum und Macht, sah sie also als gesellschaftliche Entwicklung.

1000 Songs? Abermillionen!

Nun hat das Gesetz der Schnelligkeit ein Gerät ereilt, von dem Apple 450 Millionen Exemplare verkauft hat. Anfang Woche kündigte der Konzern an, seine Produktion des iPod Touch auslaufen zu lassen. Das war die letzte Version eines Musikplayers, den der damalige Apple-Chef Steve Jobs vor 21 Jahren mit dem Slogan «1000 Songs in deiner Hosentasche» lanciert hatte. Heute bieten Apple und andere Dienste bis zu 100 Millionen Lieder zum Streamen an.

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Obwohl die iPods mit immer grösseren Speichern ausgestattet wurden und damit in der Lage waren, unsere gesamte Plattensammlung mitzunehmen, vermochte das Gerät mit der technischen Entwicklung nicht mitzuhalten. Denn auch das iPhone bietet, je nach Modell, einen grossen Speicher an. Und ausser Musik noch Telefon, Internet, Tausende von Apps, Videos und Filmen, SMS und vielem mehr. Was Paul Virilio am Beispiel der Beschleunigung aufzeigte, lässt sich auch über Merkmale wie Zugänglichkeit, Praktikabilität und Aktualität begreifen. In allen Disziplinen ist das iPhone dem iPod überlegen; Apple hat somit ein eigenes Gerät kannibalisiert.

Zumal das iPhone auf Streamingdienste wie Spotify zugreifen kann, die Musik in allen Stilen und aus allen Zeiten anbieten. Von Karlheinz Stockhausen bis Züri West, Heino bis Rammstein, Billie Holiday bis Billie Eilish. Eigene und fremde Playlists lassen sich herstellen oder anklicken und mit anderen teilen. Die Softgware ist günstig, aktuell und einfach . Die Klangqualität ist gut; bei manchen Diensten wie Tidal werden die Stücke gleich ohne Komprimierung von den CDs gezogen. Das ist ein Upgrade, das uns Spotify seit Jahren verspricht, aber immer noch nicht eingelöst hat. 

«What’s on your iPod, Mister Obama?»   

Mit dem iPod geht eine Epoche zu Ende, in der wir unsere Identität auch über die Musik definierten, die wir im Sack hatten. Schon der erste iPod mit seinem innovativen Drehrad wurde mit Designerpreisen dekoriert und zur ersten Ikone des 21. Jahrhunderts erklärt. Obwohl Apple nicht das erste solcher Geräte herstellte und auch nicht das beste, wurde der iPod zum Markennamen wie Ende der Siebziger der Walkman von Sony. Netnografen, wie sich die Erforscher des Internets nennen, beschrieben ihn als «hybride Unterhaltungsmatrix», empfanden das durch ihn vermittelte Hörverhalten als «Technotranszendenz» und sprachen gar von einem ausgelagerten Gedächtnis: «iPod therefore I am.»

Mick Jagger hatte indische Musik auf seinen iPod geladen, weil die ihn beim Sex am meisten inspiriere «und du nie weisst, wann du indische Musik gebrauchen kannst».

George W. Bush hatte einen iPod auf seinem Pult, David Bowie bekam ihn von seiner Frau geschenkt, die Soldaten im Irak hatten ihn dabei, Karl Lagerfeld kaufte gleich sechzig Stück davon. Und als David und Victoria Beckham damit gesichtet wurden, schrieb die britische «Sun»: «Wenn Becks und Posh ihn bedienen können, können es alle.»  

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Und weil man sich über seine Musiksammlung mit definierte, wurden Prominente unweigerlich mit der Frage «What’s on your iPod?» konfrontiert. Barack Obama gab während seines Wahlkampfes bereitwillig Auskunft. Und verwies auf eine ausgewogene Liste aus Alt und Neu, Weiss und Schwarz, von Rock bis Soul bis Hip-Hop und Popmusik, um es sich mit keinem Segment seiner potenziellen Wählerschaft zu verderben. Mick Jagger bekannte, er habe indische Musik draufgeladen, weil die ihn beim Sex am meisten inspiriere «und du nie weisst, wann du indische Musik gebrauchen kannst».

Heute hören die Leute keine Alben mehr, sondern Playlists, wenn möglich nach Stimmung geordnet, also für den Morgen und das Joggen, zum Yoga und beim Apéro: Musik als vertonte Atmosphäre. Das war beim iPod anders gewesen: Seine Musik war die unsrige. Darum konnte er die Einsamkeit so gut lindern, die er erzeugte. Vielleicht hat Barack Obama der Queen Elizabeth darum einen iPod geschenkt.