Kolumne «Dorfgeflüster»Die Medaille fürs ganze Dorf
Zwischen Identifizierung und Anteil am Erfolg der Sporthelden klafft eine emotionale Lücke.
Was wären Olympische Spiele und Weltmeisterschaften ohne Patriotismus? Langweilig wie Brot ohne Salz im Teig. Ein Schweizer Skifahrer brettert die Pisten runter, wir drücken die Daumen, hoffen, dass die Uhr früh stoppt. Ja, Bestzeit – wir haben es den Österreichern wieder gezeigt. Belinda Bencic ist Olympiasiegerin – wir sind die Tennisnation Nummer eins.
Die Identifizierung über das «Wir» hat aber meist nur einen Berührungspunkt: die Nationalität. Denn wer schiesst so treffsicher wie Olympiasiegerin Nina Christen, fährt so wagemutig Ski wie Beat Feuz, schwimmt so schnell wie Noè Ponti? Vor allem: Wer hat diese «Helden» auf ihrem Weg nach oben persönlich unterstützt, um sich ein Stück vom Erfolgskuchen abschneiden zu dürfen?
Noch stärker ist die Verbundenheit, wenn die Cracks aus der Nachbarschaft stammen. Dann steht das Dorf kopf. So wie gestern in Uetikon, als die Mountainbikerin Sina Frei für Olympia-Silber, WM-Gold und WM-Bronze gefeiert wurde. Zu Recht, denn solche Erfolge färben auf die ganze Gemeinde ab. Ehre und Glanz fallen aufs Dorf wie Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke.
Lokalpatriotismus ist wunderbar, er gibt den Athletinnen und Athleten moralischen Rückhalt. Aber gerade in wenig lukrativen Sportarten sollten wir nicht vergessen, dass neben viel Training vor allem Verzicht und Entbehrungen aufs Podest führen. Diese Last übernimmt kaum jemand von denen, die jetzt jubeln. Darum wünsche ich mir, dass sie wenigstens im Nachhinein ihren Beitrag leisten – und der Fanclub von Sina Frei einen Ansturm erlebt, der sie zu weiteren Grosstaten trägt.
Wer jetzt neidisch auf Uetikon schaut: Auch bei euch, liebe Leserinnen und Leser, könnten Champions wachsen. Gebt ihnen die Unterstützung – und freut euch auf eine Medaillenfeier in eurem Dorf.
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