Analyse zu US-RepublikanernEine durchgeknallte Abgeordnete – und die Partei stellt sich hinter sie
Marjorie Taylor Greene sympathisiert mit QAnon und forderte den Tod von Demokraten. Doch die Republikaner wollen nicht gegen sie vorgehen und so eine Spaltung verhindern. Der Preis dafür ist hoch.
Kevin McCarthy hat ein Ziel: Er will den Republikanern bei den Zwischenwahlen 2022 die Herrschaft über das Repräsentantenhaus sichern. Dafür braucht er eine geeinte Partei. Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt McCarthy vieles in Kauf. Man könnte auch sagen: alles.
Der Minderheitsführer der Partei stand zuletzt vor der Entscheidung, was er mit der Abgeordneten Marjorie Taylor Greene tun sollte. Es war von aussen betrachtet keine schwierige Entscheidung.
Greene ist nicht einfach eine extremistische Stimme, von denen es im Kongress einige gibt. Greene hat die Verschwörungstheorie QAnon propagiert, die in den Demokraten einen satanistischen Geheimring zur Versklavung von Kindern sieht. Sie hat Aufrufe zur Hinrichtung von Demokraten unterstützt, Amokläufe an Schulen als inszeniert bezeichnet und antisemitische Hirngespinste verbreitet.
Die Verantwortung abgegeben
Kevin McCarthy entschied sich dafür, nichts zu tun. Er schloss Greene weder aus der Fraktion aus, noch warf er sie aus den Ausschüssen des Repräsentantenhauses, in denen sie Mitglied ist. Als sich die Abgeordnete am Mittwochabend vor ihren Fraktionskollegen erklärte, erhielt sie dafür stehenden Applaus. Keine Konsequenzen.
Stattdessen überliessen es die Republikaner den Demokraten, Greene zu disziplinieren. Am Donnerstag beschloss das Repräsentantenhaus, Greene aus den Ausschüssen zu entfernen. Nur elf von 211 Republikanern schlossen sich den Demokraten an. Den anderen Republikanern reichte es, dass Greene sich kurz vor der Abstimmung von einigen ihrer früheren Aussagen distanziert hate – und dabei QAnon mit den Medien gleichsetzte.
McCarthy hat sein Vorgehen damit verteidigt, dass Greene ihre Aussagen machte, bevor sie im November in den Kongress gewählt wurde. Der wahre Grund ist allerdings wohl der: McCarthy und seine Partei fürchten sich vor ihren Wählern. An der republikanischen Basis ist die Grenze zwischen Anhängern von QAnon und von Donald Trump fliessend, oft gar nicht existent.
Was sie verbindet, ist die grosse, zersetzende Lüge vom Wahlbetrug, die sich bei vielen republikanischen Wählern festgesetzt hat. Entsprechend gross ist der Druck auf viele Abgeordnete, sich nicht gegen jemanden wie Marjorie Taylor Greene zu stellen.
Es ist nicht sicher, ob es die Republikaner schaffen würden, das Gift an ihrer Basis auszutreiben. Aber sie versuchen es nicht einmal.
Die Debatte um Greene ist deshalb auch eine Debatte um den künftigen Einfluss Trumps auf die Partei. Trump hat mit Greene Wahlkampf gemacht, er unterstützt sie noch immer. Von QAnon hat er sich nie distanziert. Er hatte die politische Bühne seinerzeit mit einer rassistischen Verschwörungstheorie über Barack Obamas Herkunft betreten. Er verliess sie mit einer Dolchstosslegende über eine gestohlene Wahl, die auch von seinen Verbündeten im Kongress über viele Wochen aktiv verbreitet wurde.
Die Gedankenwelt von Trump und die Gedankenwelt von Greene – sie haben mehr als einige Berührungspunkte.
Lebenszeichen des Establishments
Um wieder Wahlen zu gewinnen, brauchen McCarthy und die Republikaner aber auch das, was verkürzt das Establishment der Partei genannt wird. Man könnte auch sagen: jene Republikaner, die noch fest auf dem Fundament der Demokratie stehen. Für diesen Flügel steht Liz Cheney, die knochenkonservative Abgeordnete, die in den vergangenen vier Jahren in 93 Prozent der Abstimmungen im Sinne Trumps votierte.
Weil sich Cheney nach dem Sturm aufs Capitol für ein Impeachment gegen Trump aussprach, sah sie sich einer internen Rebellion ausgesetzt. Diese ist gescheitert. In einer geheimen Abstimmung stimmten am Mittwoch 145 Republikaner dafür, sie auf ihrem Chefposten in der Fraktion zu belassen. 61 Kollegen wollten sie absetzen.
Anders formuliert: Es gibt noch Republikaner, die sich nicht von den Extremisten an der Basis leiten lassen – aber nur, wenn sie dabei nicht mit Namen hinstehen müssen.
Eine Frage der Parteizugehörigkeit
Für McCarthy läuft es also – gemessen an seinem eigenen Ziel, die Partei beisammenzuhalten – nicht so schlecht. Die Tatsache, dass es die Demokraten sind, die Marjorie Taylor Greene disziplinieren, hat dazu geführt, dass die Republikaner die Reihen schliessen. Ob man es für richtig hält, dass eine offensichtlich durchgeknallte Abgeordnete in Ausschüssen des Kongresses sitzen darf, ist zu einer Frage der Parteizugehörigkeit verkommen – so wie alles in Washington.
Der Preis dafür ist allerdings, dass all die Lügen und Verschwörungstheorien an der konservativen Basis weiter wuchern. Wozu das führt, hat man beim Sturm auf das Capitol gesehen. Es ist nicht sicher, ob es die Partei noch schaffen wird, dieses Gift wieder auszutreiben. Aber es scheint eben auch nicht so, als ob sie das überhaupt je ernsthaft versuchen wird.
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