Kommentar zum Strache-ProzessDie Justiz will Korruption nicht mehr verniedlichen
«Freunderlwirtschaft» wird nicht mehr toleriert, das zeigt der Schuldspruch gegen Heinz-Christian Strache. Das müssen jetzt auch die Politiker einsehen.
Heinz-Christian Strache hat nicht mehr viele Freunde in der österreichischen Politik – und das Urteil vom Freitag, mit dem der ehemalige FPÖ-Politiker zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde, dürfte seinen Status als Paria noch verstärken. Seine ehemalige Partei will nichts mehr mit ihm zu tun haben, die Wähler mögen ihn nicht mehr, ein Verfahren wegen Spesenbetrugs ist noch anhängig, und nun ist er auch noch wegen Bestechlichkeit verurteilt worden.
Eine Richterin in Wien war sicher, dass Strache sich von einem reichen Freund, einem Klinikbetreiber, für dessen Sache einspannen liess und – unter anderem gegen Spenden über 12’000 Euro – für ihn lobbyierte. Korruptionsbekämpfer in Österreich feiern das Urteil vielleicht etwas voreilig als mutig und wegweisend: Sie hoffen, es sei nur der Anfang des grossen Aufräumens im Ibiza-Sumpf. Der trat 2019 mit dem Video zutage, auf dem Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte die halbe Republik versprach. Das Urteil ist vor allem erst einmal ein grosser Erfolg für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die noch gegen weitere Mitglieder der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung ermittelt.
Ob das Urteil die Berufung überlebt, ist eine andere Frage. Auch daran wird sich erweisen, ob es eine Zeitenwende in Österreich gibt.
Ob das Urteil die Berufung überlebt, ist eine andere Frage. Auch daran wird sich erweisen, ob es eine Zeitenwende in Österreich gibt – einem Land, in dem politische Korruption immer noch als «Freunderlwirtschaft» verniedlicht wird. Und wo die ÖVP gerade mithilfe des grünen Regierungspartners einen Untersuchungsausschuss beendet hat, in dem zahlreiche Indizien für eben diese politische Korruption zutage gefördert wurden.
Das Urteil im ersten Ibiza-Prozess zeigt eine neue Sensibilität der Justiz im Umgang mit dem Amtsverständnis von Politikern, so, wie die öffentliche Debatte zuletzt eine neue Sensibilität dafür befördert hat, dass Politik nicht zur Selbstbedienung da ist. Nun muss sich das nur noch bei denen herumsprechen, die es meint.
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