Nicht nur KlimastreikDie Jungen werden politischer – welche Parteien davon profitieren
Das neue Jugendbarometer zeigt, warum sich die 16- bis 25-Jährigen immer stärker engagieren und was das für Auswirkungen hat.
Am Freitag vor einer Woche wurde sie wieder aktiv: die politische Jugend der Schweiz. Tausende Schülerinnen und Schüler gingen in Zürich, Bern, Lausanne und 15 weiteren Städten auf die Strasse, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Es war der erste landesweite Streik seit Beginn der Corona-Krise.
Die Organisatoren forderten «eine Zukunft auf einem bewohnbaren Planeten». Denn sie sehen diesbezüglich schwarz – und nicht nur sie, wie das Jugendbarometer 2020 zeigt. Nur noch die Hälfte der jungen Schweizerinnen und Schweizer blickt heute zuversichtlich in die Zukunft. Vor zehn Jahren waren es noch knapp zwei Drittel.
Der Anteil der Jugendlichen, die ihre Zukunft optimistisch sehen, hat über die letzten Jahre sukzessive abgenommen. Die Sorglosigkeit, die insbesondere der Generation Y immer wieder angelastet wird, scheint verschwunden zu sein. Das ist eine wichtige Erkenntnis aus der Umfrage, die das Forschungsinstitut GFS Bern im Auftrag der Credit Suisse bei 16- bis 25-Jährigen durchgeführt hat.
Die grösste Sorge der Jungen ist gemäss dem neuen Barometer eine, die ihre Zukunft betrifft: Die Altersvorsorge wird von 47 Prozent aller Befragten als eines der fünf wichtigsten Probleme des Landes gesehen. Die Bewältigung der Corona-Krise und ihrer Folgen ist aktuell die zweitgrösste Sorge.
Eine Mehrheit findet, dass die Reform der Altersvorsorge durch die Corona-Krise noch dringlicher wurde und dass die Pandemie jungen Leuten noch für viele Jahre finanziellen Schaden zufügen wird. Es sind aber andere Themen, deretwegen «die Jugend zu einer neuen, politischeren Identität gefunden hat», wie es im Bericht heisst: etwa der Klimawandel, die Gleichstellung und Rassismus.
So gab es unter 16- bis 25-Jährigen schon bei der ersten Befragung im Jahr 2010 eine gewisse Affinität für den Klimaschutz. Wirklich zu mobilisieren vermochte das Thema aber erst in den letzten fünf Jahren. Momentan geben 54 Prozent der Jugendlichen an, sich für die Umwelt einzusetzen – markant mehr als noch 2015.
Sehr ähnlich sieht es auch beim zweiten grossen Thema der letzten Jahre aus, das die Gesellschaft bewegte: bei der Gleichstellung der Geschlechter. Auch hier ist der Stellenwert des Anliegens und die Bereitschaft, sich aktiv für das Thema einzusetzen, unter Jugendlichen in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Das neu aufkommende politische Bewusstsein zeigt sich vor allem in der deutlich gestiegenen Lust zu protestieren. Fast die Hälfte fühlt sich der Klimabewegung zugehörig. Und mehr als jeder fünfte Jugendliche gibt an, selbst an politischen Demonstrationen teilzunehmen, also für seine Anliegen auf die Strasse zu gehen. In den letzten Jahren war dieser Anteil nicht einmal halb so gross.
Kaum sichtbar ist das neue Bewusstsein der Jungen jedoch bei etablierten, institutionalisierten Formen des politischen Engagements. So geben lediglich 7 Prozent der Befragten von sich selber an, Mitglied einer politischen Partei zu sein. Das sind zwar leicht mehr als in den vorangegangenen Jahren (zwischen 3 und 5 Prozent), die Veränderungen gehen aber kaum über den Stichprobenfehler hinaus.
Auch bei der Beteiligung an eidgenössischen Wahlen gibt es nur wenig Bewegung. Beim letzten Mal, im Herbst 2019, gingen 33 Prozent der 18- bis 34-Jährigen an die Urne. Das waren ein bisschen mehr als 2015, aber nicht mehr als auch schon.
Dieser leichte Anstieg zeigte aber durchaus Wirkung, wie die Studie Selects ergab, die vom Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften Fors durchgeführt wurde. Demnach gehörten die Grünen und die GLP auch deshalb zu den Gewinnern, weil sie insbesondere bei der jungen Wählerschaft deutlich zulegten. Sie profitierten davon, dass sich ihre Kernthemen Klima und Umwelt während des Wahlkampfs als wichtigstes politisches Problem etablierten.
Die Grünen konnten ihren Wähleranteil in der Gruppe der 18- bis 34-Jährigen mehr als verdoppeln, die GLP ebenfalls fast verdoppeln. Gleichzeitig nahm dieser bei SVP, FDP und SP deutlich ab. Auch die CVP bekundet zunehmend Mühe, das junge Elektorat für sich zu gewinnen.
In Zukunft könnte sich dieser Trend noch verstärken. Die Grünen und insbesondere die GLP sind vergleichsweise junge Parteien, die dementsprechend gut in der jungen Wählerschaft verankert sind. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Klimabewegung sind noch minderjährig, wurden durch die Demonstrationen aber politisiert und können bald wählen. Davon dürften die ökologischen Parteien profitieren. Bei den Wahlen 2019 zogen sie überdurchschnittlich viele Erstwählende an.
Und sollte gar das Stimmrechtsalter von 16 Jahren eingeführt werden, wofür sich vergangene Woche der Nationalrat aussprach, dürfte das der Politisierung der Jugendlichen noch einmal Auftrieb leisten. Das Klischee, Junge würden sich nicht für Politik interessieren, gilt aber wohl heute schon nicht mehr.
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