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Walliser Skitouren-Athletin
Die härteste Sportart der Welt hat es ihr angetan

Gemütlich sieht anders aus: Séverine Pont-Combe auf einer Trainingstour.
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Die Liste ihrer Auszeichnungen ist beeindruckend: Viermal hat sie die Patrouille des Glaciers gewonnen und dabei dreimal einen Rekord aufgestellt, zweimal war sie Weltmeisterin, dreimal Europameisterin und siebenmal Schweizer Meisterin. Zusätzliche Medaillen, Podiumsplätze und weitere Siege hat sie bei fast allen renommierten Skitourenrennen erzielt.

Séverine Pont-Combe lacht. Sie möge die Stimmung an den Wettkämpfen, die Emotionen seien gross, man spüre die Gefühle deutlich. «Skitourenrennen sind Teamsport», betont sie. Im Normalfall ist man als Zweier- oder Dreierteam unterwegs. «Man muss aufeinander hören, man hilft sich gegenseitig. Es geht darum, gemeinsam stark zu sein.» Will die eine aufgeben, ermuntert die andere: «Doch, du schaffst das!», und nimmt die Teampartnerin auch mal ans Seil. «Die Beziehung untereinander muss stimmen. Das gefällt mir daran.»

«Grossartige Gemeinschaftserlebnisse»

Die 42-jährige Spitzenathletin nimmt noch immer an 15 bis 20 Skitourenwettkämpfen pro Saison teil. In der Schweiz gibt es Rennen mit langer Tradition, bei denen viele ambitionierte Sportlerinnen und Sportler Seite an Seite mit Profis mitmachen. «Es sind wunderschöne Strecken und grossartige Gemeinschaftserlebnisse», sagt Séverine Pont-Combe.

«Man lernt viel über sich selbst»: Séverine Pont-Combe bei der WM 2015 in Verbier. 

Skialpinismus ist die wohl härteste Sportart. Die Teilnehmenden sind mit gewichtsoptimierten Ski auf Fellen unterwegs, haben Pickel, Seil und Klettergurt dabei, im steilen Firn, in Couloirs oder beim Erklimmen von Gipfelaufschwüngen binden sie die Ski auf den Rücken. Mit aufgebundenen Ski rennen sie über scharfe Grate und sausen auf flatternden Latten spektakuläre Gletscherfelder und ruppige Steilabfahrten hinab.

Das bekannteste Schweizer Rennen ist die Patrouille des Glaciers von Zermatt nach Verbier über eine Strecke von 55 Kilometern und mehr als 4000 Höhenmetern Auf- und Abstieg in der dünnen Luft des Hochgebirges. Dieser Wettkampf wie auch die etwas weniger bekannte Trophée du Muveran werden seit den 1940er-Jahren durchgeführt. Beides sind Rennen mit grosser Strahlkraft — «mythique» nennt sie die Spitzensportlerin.

Zum Skialpinismus kam Séverine Pont-Combe erst mit 23 Jahren, als sie ihren Mann kennen gelernt hatte. Schon mit 5 Jahren war sie mit ihrem Vater mitgerannt, später wurde sie Leichtathletin im 400- und 800-Meter-Lauf, dann liess sie sich an der Universität Genf zur Sportlehrerin ausbilden. Der Aufstieg sei kein Problem für sie gewesen, erzählt sie, aber «die Abfahrten waren hart. Mir fehlte die Technik.» Vier Jahre später gewann ihr Dreierteam ein erstes Mal die Patrouille des Glaciers.

Die eigenen Grenzen verschieben

«Wettkampf kann auf gute und schlechte Art ausgeübt werden», sagt die Spitzensportlerin. Zentral sei die Haltung gegenüber den anderen und sich selbst. Das will sie auch ihren beiden Töchtern mitgeben, der 12-jährigen Lily und der 8-jährigen Mila. Man lerne, die eigenen Grenzen zu verschieben und über sich selbst hinauszuwachsen, man trainiere Durchhaltewillen, Geduld, aber auch die Einsicht, dass man ein Ziel manchmal nicht erreichen könne und es anpassen müsse: «Man lernt viel über sich selbst.»

In ihrer Jugend war Séverine Pont-Combe Leichtathletin, zum Skialpinismus kam sie erst mit 23.

Bei einem Berglauf im Sommer hat sie das einmal sehr deutlich erfahren. Ihr Ziel war, mit einer Laufzeit von 8 Stunden einen Platz auf dem Podium zu ergattern. Unterwegs wollte sie aufgeben, aber ihre Töchter feuerten sie an. Also machte sie weiter, gelangte jedoch erst nach 12 Stunden ans Ziel. «Mein neues Ziel war nicht mehr das Podium, sondern die Zielgerade. Ich wollte meinen Töchtern ein gutes Beispiel sein.»

Wenn Séverine Pont-Combe an einem Rennen teilnimmt, ist immer die ganze Familie dabei: «C’est un projet de famille», sagt sie. Die zierliche Sportlerin strahlt geballte Energie aus, und wenn sie lacht, sieht es aus, als hätten sich glitzernde Schneekristalle in ihren Augen verfangen.

Ihr Mann ist auch ihr Trainer

Ihr Trainer ist seit je ihr heutiger Mann Nicolas Combe, der früher auch die Schweizer Nationalmannschaft trainiert hat. Als sie mit ihren Töchtern schwanger war, machte sie jeweils ein Jahr Pause und nahm danach gleich wieder an den Wettkämpfen teil. Solange die Mädchen nicht durchschliefen, übernahm ihr Mann die Nachtschichten. «Aber ich trinke auch mal ein Glas Wein oder esse ein Raclette, wenn ich nicht gerade auf ein Rennen hin trainiere», sagt sie. «Ich lebe. Deshalb bin ich immer noch als Spitzensportlerin aktiv.»

Bei Rennen hat Séverine Pont-Combe kaum Zeit dafür, aber im «normalen» Skitourenleben macht sie auch gern mal eine Pause und geniesst die Bergkulisse.

In einem der Filme, die sie auf ihrer Website aufgeschaltet hat, sieht man sie, wie sie zu Hause im Wohnzimmer ihr Gleichgewicht trainiert und dabei ihrer Tochter Lily den Ball zuwirft. In einem anderen Film läuft sie mit Tochter Mila zu einem der vielen Seen ihrer Wahlheimat Crans-Montana, wo sie mit ihrem Mann einen Skitourenpark mit 15 ausgeschilderten und gesicherten Routen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade eingerichtet hat. In der wilden Landschaft mitten im Wald umarmt die Spitzensportlerin den Stamm einer mächtigen Lärche: «Spürst du die Energie?», fragt sie ihre Tochter. «Ja», sagt Mila. «Fühl die Rinde», ermuntert die Mutter.

Sie wolle immer hoch in die Berge, sagt die Walliserin. In der Natur lädt sie ihre Batterien auf. Skitourenrennen sind in der Romandie oder im italienischsprachigen Raum stärker verbreitet als in der Deutschschweiz, wo die meisten Leute gemütlicher unterwegs sind. «Ich renne, weil ich trainiert bin», erklärt Séverine Pont-Combe, «aber vor allem geniesse ich die Kulisse. Zwischendurch mache ich eine Pause, verweile auf dem Gipfel, manchmal meditiere ich, ich grüsse freundlich.»

Ein respektvolles Miteinander sei wichtig, gerade in der heutigen Welt. Das gilt für sie im Wettkampf ebenso wie ganz grundsätzlich im Leben.