Explosion in LeverkusenDie Angst vor dem Gift in Gärten und auf Spielplätzen
Dioxin-, PCB- und Furan-Verbindungen sollen bei der gewaltigen Explosion in umliegende Wohngebiete getragen worden sein.
Nach der schweren Explosion in einem Chemiepark im deutschen Leverkusen in Nordrhein-Westfalen schwindet die Hoffnung auf weitere Überlebende. «Wir müssen leider davon ausgehen, dass wir die fünf Vermissten nicht mehr lebend finden», sagte der Chef der Betreiberfirma Currenta, Frank Hyldmar, am Mittwoch. Bereits am Dienstag hatten die Rettungskräfte einen Menschen tot aus einer Verbrennungsanlage für chemisch belastete Abfälle geborgen, ein weiterer erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen, 31 Menschen wurden verletzt.
Sorge in der Bevölkerung ruft unterdessen hervor, dass die Rauchwolke offenbar Dioxin-, PCB- und Furan-Verbindungen in umliegende Wohngebiete getragen hat. Davon gehe das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen derzeit aus, wie die Behörde am Mittwoch mitteilte. Man untersuche aber noch, in welcher Konzentration dies geschehen sei. Die Untersuchung sei recht aufwendig.
Die drei Chemikaliengruppen gelten als gefährlich für die Umwelt und die menschliche Gesundheit. In grossen Mengen können sie Krebs auslösen und die Fortpflanzungsfähigkeit schädigen; sie wirken giftig oder stören das Hormonsystem. Sie können durch die Verbrennung von chlorierten Lösemitteln entstehen, die am Dienstag in Leverkusen in Brand geraten waren. Die chemischen Verbindungen sind für Menschen besonders gefährlich, wenn sie eingeatmet werden. Viele Verbindungen aus diesen Chemikalienklassen sind sehr stabil und zerfallen in der Natur nur langsam. Sie können sich in der Umwelt und in der Nahrungskette anreichern.
Anwohner sollten keinen Russ in ihre Wohnungen tragen, Obst und Gemüse aus dem Garten abwaschen, Aussenmöbel oder Swimmingpools meiden.
Zwar waren Luftmessungen in Leverkusen und im nahen Köln nach der Explosion unauffällig geblieben; die Bevölkerung muss Fenster und Türen seit Dienstagnachmittag nicht mehr geschlossen halten. Auch am Mittwoch schloss die Feuerwehr eine Gesundheitsgefährdung über die Stadtluft aus. Allerdings meldete Leverkusen Russniederschläge in mehreren Stadtteilen. «Es handelt sich um cent- bis eurogrosse Partikel, die eine ölige Konsistenz haben», teilte die Stadt mit. Anwohner sollten keinen Russ in ihre Wohnungen tragen, Obst und Gemüse aus dem Garten abwaschen, Aussenmöbel oder Swimmingpools meiden. Die Stadt liess Spielplätze in betroffenen Stadtteilen einstweilen schliessen. Die Betreiberfirma Currenta stellte in Aussicht, dass sie Strassen, Gehwege und Hauseingänge reinigen werde.
Am Dienstagvormittag war es in der Müllverbrennungsanlage des Chemieparks zu einer Explosion gekommen. Drei Tanklager, die mit etwa 500'000 Litern Lösungsmitteln gefüllt waren, gerieten in Brand. Einsatzkräfte hatten das Feuer am Dienstagmittag unter Kontrolle. Die Ursache der Explosion war auch am Mittwoch zunächst unklar. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung eingeleitet, wie die Behörde mitteilte. Man ermittle zudem wegen fahrlässigen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion; der Vorwurf richte sich gegen unbekannt. Die Polizei plant für diesen Donnerstag eine erste Begehung des Unglücksortes, gemeinsam mit einem Sachverständigen sowie Verantwortlichen des Chemieparks.
Der sogenannte Chempark in Leverkusen ist einer der grössten Standorte der Chemieindustrie in Deutschland. Neben Bayer sind dort Dutzende weitere Betriebe angesiedelt. Der Bayer-Konzern hatte seine Mehrheitsbeteiligung an der Betreiberfirma Currenta 2019 an den australischen Investor Macquarie verkauft.
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