Humm schiesst die Schweiz an die WM 2023Die grosse Erlösung in der 120. Minute
Im Playoffspiel der WM-Qualifikation gegen Wales annulliert der VAR zwei Schweizer Tore, weshalb das Team lange zittert – bis Joker Fabienne Humm mit dem letzten Angriff das 2:1 erzielt.
Was braucht es eigentlich, damit eine Angestellte ihre Minusstunden geschenkt kriegt? Der schnellste Hattrick der WM-Geschichte ist es offenbar nicht, das hat Fabienne Humm 2015 schon ausprobiert. Vielleicht hilft es aber, 7803 Schweizerinnen und Schweizer in Ekstase zu versetzen. Genau das tut Humm, die für die Zusammenzüge des Schweizer Nationalteams jeweils Ferien beziehen muss und deshalb schon Minusstunden im dreistelligen Bereich angehäuft hat, in der 120. Minute des WM-Playoffspiels gegen Wales. Sie löst sich im perfekten Moment, lenkt mit dem Aussenrist eine Hereingabe von Géraldine Reuteler ins Tor – und schiesst die Schweiz an die WM 2023 in Australien und Neuseeland.
Sie selber realisiert das im ersten Moment gar nicht, fragt im SRF wegen dem komplizierten Qualifikationsmodus: «Ist es definitiv?» Ist es. «Dann hoffe ich, dass wir noch etwas feiern.» Obwohl, eigentlich müsste sie am Mittwochmorgen arbeiten. Eigentlich, sie hofft noch auf eine Nachricht des Arbeitgebers: «Ich schaue nachher mal aufs Handy.»
Viel Mühe in der Offensive
Lange Zeit ist es ein Knorz, den Schweizerinnen gelingt wenig. Überraschend ist das nicht, Wales hat in der Qualifikationskampagne in elf Spielen gerade mal fünf Gegentore kassiert – vier davon gegen EM-Halbfinalist Frankreich.
Den Schweizerinnen fällt wenig ein, es braucht ein Zufallsprodukt, damit Viola Calligaris zur ersten Chance der Partie kommt, ihr Schuss aus rund 18 Metern prallt in der 14. Minute aber vom Pfosten ins Aus. Hinzu kommt, dass die anfangs eher strenge Linie von Schiedsrichterin Tess Olofsson den Gästen entgegenkommt, so gelangen sie mit ziemlich wenig Aufwand immer wieder zu Freistössen aus interessanten Positionen. Einer führt in der 19. Minute zum Eckball, dieser zum 1:0 für Wales. Der Treffer fällt, weil die Zuordnung in der Schweizer Abwehr nicht stimmt und Ana Maria Crnogorcevic am Ball vorbei springt, sodass Rhiannon Roberts aus kurzer Distanz in Tor trifft.
Und damit steigt die Schweizer Nervosität nochmals um ein gutes Stück. Es hilft auch nicht, dass sich die Waliserinnen bei jedem Spielunterbruch aufreizend viel Zeit lassen, hier Olofsson deutlich nachsichtiger ist, was im Zürcher Letzigrund jeweils mit gellenden Pfiffen quittiert wird – und die Schweizer Spielerinnen wild gestikulieren lässt.
Aber auch die Schweizerinnen tragen wenig dazu bei, dass es in der ersten Hälfte ein aufregender Fussballabend ist. Viel zu unpräzis sind sie, zu ideenlos, zu langsam im Spiel mit dem Ball. Einzig Ramona Bachmann versucht ab und an Verantwortung zu übernehmen, die Mitspielerinnen aber machen selten mit.
Nur einmal tun sie es, in der 45. Minute. Lia Wälti hat endlich einmal einen Plan, spielt den Ball in den Lauf von Noëlle Maritz, diese sieht die wild winkende Bachmann in der Mitte und die Ausnahmekönnerin trifft direkt mit einem sehenswerten Schuss in die hohe Ecke. Bräuchte es ein Symbolbild für das Wort Erleichterung, die Jubeltraube bestehend aus allen Ersatzspielerinnen am Spielfeldrand wäre perfekt dafür geeignet.
Zuerst Pech, dann die Erlösung
Ab da scheint alles etwas leichter zu werden, für eine Phase ist die Schweiz drückend überlegen, zeigt fast alles von dem, was sie zuvor vermissen liessen, Crnogorcevic verpasst es dann aber, für eine ruhigere letzte halbe Stunde zu sorgen. Nach Intervention des VAR, der im Playoff erstmals in der Qualifikation zum Einsatz kommt, darf sie wegen eines Handspiels von Rachel Rowe einen Penalty treten, schiesst diesen an den Pfosten und weil vor ihrem Nachschuss keine Gegnerin den Ball berührt, annulliert Olofsson den Treffer.
Es ist aber bezeichnend für dieses Team, dass es nicht dazu fähig ist, diesen Druck über längere Zeit aufrecht zu erhalten. Bald einmal fällt es zurück in den fast schon lethargisch wirkenden Trott, in der 81. Minute haben die Schweizerinnen gar noch grosses Glück, dass Kayleigh Green den Ball aus guter Position übers Tor schiesst. Aber auch Pech, dass sich nach dem vermeintlichen 2:1 von Bachmann, natürlich von Bachmann, wieder der VAR meldet. In der Entstehung stand die eingewechselte Riola Xhemaili knapp im Offside.
Also bleibt es ein Nervenspiel, bis in die Verlängerung. Und, weil zuerst Bachmann, Crnogorcevic und Rachel Rinast ihre grossen Chancen zum Lucky Punch verpassen, weil Rowe einen Kopfball von Xhemaili auf der Linie klärt. Bis zur 120. Minute. Bis Fabienne Humm ihren grossen Auftritt hat und die Schweiz an die WM 2023 schiesst.
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Fabian Sangines
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