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Meisterwerk der Baukunst
Grösste romanische Kirche der Schweiz strahlt wieder

Wurde vom Überschallknall zweier F/A-18 erschüttert, zehn Jahre später erstrahlt sie in neuer Schönheit: Die Abteikirche von Payerne.
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Es war am 4. März 2010, als um 8.40 Uhr in der Früh zwei F/A-18 über der Abteikirche von Payerne einen Überschallknall erzeugten. Er liess das aus dem 11. und 12. Jahrhundert stammende Gemäuer bis auf die Grundfesten erzittern. Die Jagdflugzeuge waren vom nahe gelegenen Militärflughafen gestartet. Noch heute erinnert sich der Lausanner Architekt Ivan Kolecek, dass sich aus der Decke des nördlichen Seitenschiffs Mörtelstücke und kleinere Steinbrocken lösten. Damals wurde klar, dass es allerhöchste Zeit war, die Kirche vor ihrem Zerfall zu bewahren.

Nun steht sie vor uns, die fertig renovierte Abteikirche von Payerne. Ein Meisterwerk romanischer Baukunst. Schöner als je empfängt sie ihre Besucher als beinahe schmuckloses Raumwunder. Denn der Bau verblüfft zuallererst durch die Schlichtheit seiner drei schmalen, überaus hohen Kirchenschiffe. Abgesehen von ein paar Fresken und Figurenkapitellen, sind es die vom Putz befreiten Kalksteinmauern, die mächtigen Pfeiler aus Kalk- und Sandstein und das Deckengewölbe samt Jochbogen, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und dank Dutzenden von Rundbogenfenstern wirkt der Innenraum erstaunlich hell.

67 Meter misst das Gebäude vom Eingangsportal bis in den Chor. Damit ist die der heiligen Maria gewidmete Abteikirche von Payerne, die seit dem Reformationsjahr 1536 als Getreidespeicher, später als Kaserne, Turnhalle und Gefängnis genutzt und erst 1900 zum Denkmal erklärt wurde, die grösste romanische Kirche der Schweiz.

Schräge Mauern werden mit Kabeln stabilisiert

Die grössten Herausforderungen bei der Renovation waren statischer Art, wie Kolecek erzählt, der in den vergangenen 13 Jahren die Renovationsarbeiten geleitet hat. So ist den Spezialisten früh aufgefallen, dass die Seitenwände der Kirche sich immer mehr nach aussen neigten. Die Rundbögen oben im Kirchenschiff drückten mit ihrem Gewicht auf die hohen tragenden Wände, sodass diese Gefahr liefen, samt den Bogenkonstruktionen der Decken in sich zusammenzufallen.

13 Jahre dauerten die Renovationsarbeiten: Vierungsturm mit fünfteiligem Staffelchor samt Seitenkapellen.

Auch jetzt, im renovierten und statisch gesicherten Zustand, weichen die Aussenmauern in 12 Metern Höhe etwa 30 Zentimeter vom Lot ab. Sie haben nicht nur die Kräfte vom Tonnengewölbe der Seitenschiffe aufzunehmen, auch das beim Eingang 14 Meter und zum Chor hin 15,2 Meter hohe Mittelschiff drückt mit seinen sieben Jochbogen, die auf mächtigen Pfeilern aufsitzen, unerbittlich auf diese Stützmauern.

Der Querschnitt der Kirche mit den Vorspannkabeln.

Kolecek setzte eine bei Renovationen selten eingesetzte Technik aus dem Brückenbau ein, die normalerweise bei Spannbetonbauten verwendet wird. Im konkreten Fall der Kirche in Payerne wurden je fünf vertikale Löcher in die 12 Meter hohen Aussenmauern der Seitenschiffe gebohrt, die man bis zu 12 Meter in den Untergrund vortrieb. In diese Löcher wurden dann Kabel eingelassen, die man zuunterst in ein Betonfundament eingoss. Schliesslich hat man diese Kabel mit mächtigen Schrauben angezogen, sodass Kabel und Mauerwerk neuerdings mit gut und gern 25 Tonnen unter Druck stehen.

Konservieren statt restaurieren

Zuvor mussten aber auch noch die Hohlräume unter den Aussenmauern befestigt werden. Die frühen Baumeister hatten die Pfeiler in den Aussenwänden auf massive Holzblöcke gesetzt, die im Lauf der Jahrhunderte vollständig verrotteten. In diese Hohlräume wurde nun Beton injiziert. Beton und Vorspannkabel verleihen dem Gebäude eine nie da gewesene Stabilität.

Das mittlere Kirchenschiff mit dem Chor im Hintergrund.

Kolecek betont anlässlich der Besichtigung der renovierten Kirche, dass es sich genau genommen um eine Konservierung handle. Denn die Eingriffe holen nicht den Urzustand zurück, sondern machen das Kontinuum der Restaurations- und Renovationsarbeiten sichtbar, die im letzten Jahrhundert vorgenommen wurden.

Worin liegen die auffälligsten Unterschiede zum romanischen Original? Zum einen wurde der Dachstock, ein mächtiges Satteldach, das erst im 16. Jahrhundert errichtet wurde, rekonstruiert. Die Ziegel wurden, soweit es ging, wiederverwendet. Zum anderen war das Mauerwerk romanischer Kirchen generell mit einem hellen Verputz geschützt. In Payerne hat man diesen Verputz an manchen Stellen schon vor Jahrzehnten abgeschlagen und so das Mauerwerk freigelegt. Auffällig sind auch die grossen Bodenplatten aus Kalkstein im Innern der Kirche, die nicht romanischen Ursprungs sind, die man aus Kostengründen aber auch nicht ersetzte.

Furchteinflössende Figurenkapitelle

Trotz dieser Wermutstropfen ist nun eine Kirche wieder zur Besichtigung frei, die ein atemberaubendes Raumerlebnis vermittelt, das einem wie gebaute Musik vorkommt. Die drei Längsschiffe mit ihrem Wald aus Pfeilern, die aus hellgrünem, dunkelgrünem und gelblichem Sandstein gebaut sind, werden von einem Querschiff gekreuzt, um dann in einem prächtigen fünfteiligen Staffelchor zum Abschluss zu kommen. Kolecek sagt zu der Kirche, dass sie aufgrund ihrer Dimensionen und schlanken Gestalt eigentlich viel eleganter sei als das Vorbild, die Abtei von Cluny in Burgund.

Kapitell mit dem heiligen Georg, dem Drachentöter.