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Konflikt im Nahen Osten
Die Gewalt gerät ausser Kontrolle

Tote und Verzweiflung im Flüchtlingslager von Jenin: Ein junger Palästinenser protestiert in Gaza gegen die Offensive Israels in Jenin. 
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Die israelische Armee hat am Dienstag die Militäroperation im Flüchtlingslager von Jenin fortgesetzt. Ziel des grössten Armeeeinsatzes im palästinensischen Westjordanland seit fast 20 Jahren ist es, dort verschanzte Kämpfer zu töten oder zu verhaften sowie deren Waffenlager aufzuspüren. Inmitten der Kampfhandlungen haben inzwischen mehrere Tausend Palästinenser das Lager verlassen.

Dass die Gewalt inzwischen weitere Kreise zieht, zeigte sich am Dienstagnachmittag bei einem Terroranschlag in Tel Aviv mit sieben Verletzten, den die Hamas als «erste Reaktion» auf den Militäreinsatz in Jenin bezeichnete. Berichten zufolge fuhr der Täter mit einem Pick-up-Transporter in eine Menschenmenge an einer Bushaltestelle. In einem Video ist zu sehen, wie er danach ausstieg, Passanten nachjagte und sie mit einem spitzen Gegenstand attackierte. Nach Polizeiangaben wurde er am Tatort von einem bewaffneten Zivilisten erschossen.

Der Inlandsgeheimdienst Shin Bet identifizierte den Täter als einen 20-jährigen Palästinenser aus einem Dorf in der Nähe von Hebron im südlichen Westjordanland. Ohne sich direkt zur Tat zu bekennen, erklärte ein Hamas-Sprecher, der Angriff sei ein Zeichen dafür, dass «die Besatzung den Preis für die Verbrechen in Jenin zahlen wird». Israels Polizeichef Kobi Shabtai rief am Anschlagsort die israelische Bevölkerung zu erhöhter Wachsamkeit auf. (Lesen Sie unsere Analyse: Mit einem Sieg in Jenin ist nichts gewonnen)

Das palästinensische Gesundheitsministerium erhöhte am Dienstag die Zahl der getöteten Palästinenser in Jenin auf zehn. Mehr als 100 Menschen sind demnach bei den Kämpfen verletzt worden, ungefähr 20 davon schwer. Israels Armee präsentierte als Beleg für einen erfolgreich verlaufenden Einsatz Fotos grosser Mengen konfiszierter Waffen. Hunderte Sprengfallen und Tausende Granaten seien entdeckt worden sowie drei Laboratorien für den Bombenbau. Besondere Aufmerksamkeit galt einem Waffenlager, das in zwei Schächten unterhalb einer Mosche angelegt worden war.

Bewohner wurden offenbar brutal vertrieben

Aufsehen erregten auch Bilder, die in der Nacht grosse Gruppen von Menschen beim Verlassen des Flüchtlingslagers zeigten. Der Bürgermeister von Jenin, Nidal Obeidi, erklärte, 3000 bis 4000 Einwohner seien brutal aus ihren Häusern vertrieben worden mit der Drohung, dass sie ansonsten sterben müssten. Ein Sprecher der israelischen Armee wies strikt zurück, dass es eine Vertreibung oder einen Befehl zur Evakuierung gegeben habe. Die Bedingungen im Flüchtlingslager, in dem 17’000 Menschen dicht gedrängt leben, erscheinen allerdings zunehmend katastrophal. Die Wasser- und die Stromversorgung sollen dort zusammengebrochen sein.

Wie lange dieser Einsatz dauert, ist offen. Israels Premierminister Benjamin Netanyahu hat die Losung ausgegeben, dass Jenin nicht mehr länger ein «Rückzugsort für Terroristen» bleiben solle. Es müsse eine «neue Gleichung» durchgesetzt werden. «Jeder, der einen Israeli umbringt, gehört entweder ins Gefängnis oder ins Grab», sagte er. Der Einsatz werde solange dauern, bis diese «Mission erfüllt» sei.

Sein Nationaler Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi stellte allerdings in einem Radiointerview ein baldiges Ende der Operation in Aussicht. Man stehe kurz davor, die gesetzten Ziele zu erreichen.

Palästinenser wollen streiken

Aus Protest gegen die israelische Militäroperation in Jenin riefen mehrere Palästinenserorganisationen im Westjordanland und in Ostjerusalem zu einem eintägigen Generalstreik auf. Die Autonomiebehörde von Präsident Mahmoud Abbas erklärte nach einem Krisentreffen, dass es keine Sicherheitskooperation mit Israel mehr geben werde.

Ähnliche Ankündigungen hatten die Palästinenser allerdings in der Vergangenheit schon mehrmals gemacht – und dann aber faktisch nicht umgesetzt. Denn die in Orten wie dem Flüchtlingslager von Jenin aktiven Palästinenserorganisationen wie Hamas und Islamischer Jihad bedrohen auch die Macht von Abbas. Dessen Sicherheitskräfte müssten dort eigentlich für Ruhe und Ordnung sorgen, sie haben aber längst die Kontrolle verloren.