LGBTQ-Community in BrasilienDie geheime Sprache der Transsexuellen wird lauter
Mit Pajubá wurde ursprünglich die Polizei genarrt. Heute ist sie zu einem Markenzeichen der LGBTQ-Community geworden. Das freut Linguisten – und nervt Präsident Bolsonaro.
Die Sprache nennt sich Pajubá und hat den Reiz des Subversiven und Geheimnisvollen. Entstanden ist sie in den 1960er- und 1970er-Jahren auf der Strasse, in den Halbwelten der grossen brasilianischen Städte, an den Rändern der Gesellschaft – dort, wo man sich verständigen muss, ohne dass Polizisten und Militärs mithören.
Die brasilianische Transsexuelle Jovanna Baby, die schon seit Jahrzehnten als Aktivistin dabei ist, sagt gegenüber der spanischen Zeitung «El País»: «Pajubá hat viele Leben gerettet.» Sie erzählt, wie sich Transsexuelle unter der Militärdiktatur gegenseitig vor Razzien warnten, ohne dass Passanten, Kunden oder Spitzel verstehen konnten, wovon überhaupt die Rede war.
Man kann auf Pajubá ganze Gespräche führen.
Pajubá war aber mehr als ein Geheimcode. Die Sprache wurde immer mehr zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Teilweise ist sie das auch heute noch, selbst wenn es längst innerhalb der ganzen brasilianischen LGBTQ-Gemeinschaft üblich ist, zumindest ein paar Brocken Pajubá zu sprechen oder zu verstehen.
Rund 1500 Wörter umfasst die Sprache mittlerweile, die ursprünglich vor allem von dunkelhäutigen Transsexuellen gesprochen wurde. Viele Pajubá-Vokabeln sind nicht von portugiesischen Wörtern abgeleitet, oder dann so, dass keine Rückschlüsse auf die Bedeutung möglich sind: «bofe» (hübscher Mann), «mala» (Penis), «uó» (hässlich), «amapô» (Frau), «angélica» (Taxi).
Da man in jeder Sprache mit einem Wortschatz von 1000 Wörtern rund 90 Prozent eines alltäglichen Textes versteht, lassen sich mit den 1500 Pajubá-Wörtern ziemlich umfassende Gespräche führen. Richtig geheim ist die Sprache allerdings nicht mehr: Es gibt Pajubá-Wörterbücher sowie linguistische Studien über das Phänomen, und die Sängerin Linn da Quebrada nannte eines ihrer erfolgreichsten Alben «Pajubá».
Geschockte Oberschicht
Als sie in «Big Brother» aufgetreten sei, schreibt «El País», habe sie ab und zu ein Wort oder eine Wendung aus dem Transsexuellen-Idiom verwendet, um die Angehörigen der Oberschicht in ihren Wohnzimmern mit dem seltsamen Klang vertraut zu machen. Oder zu schockieren.
Ein Professor an der Universidade Federal do Oeste da Bahia führt aus, Pajubá sei mehr als eine Sprache oder ein Dialekt; es stehe für eine eigene Kultur. Ohne den Bezug zu Lebenswirklichkeit, zu Geschichte und Riten der Trans-Community sei sie für Aussenstehende schwer zu erschliessen.
Und vor einiger Zeit sahen sich Studentinnen und Studenten an einer universitären Sprachprüfung mit der Frage konfrontiert, wie Pajubá aus linguistischer Perspektive zu bewerten sei. Die Rechte protestierte dagegen, dass sich der akademische Nachwuchs mit dem Transsexuellen-Milieu auseinandersetzen musste. Brasiliens Präsident Bolsonaro sagte: «Eine Frage über eine Transvestiten-Geheimsprache prüft keinerlei Kenntnisse.»
Die Regierung, antwortete die Vorsitzende der Prüfungsbehörde, solle sich gefälligst nicht in Dinge einmischen, die sie nichts angingen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.