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Joana Mäders Verwandlung
Die Frau mit den Monsterblocks muss sich neu erfinden

Zurück im Sand: Anouk Vergé-Dépré und Joana Mäder (rechts) müssen sich nach der schweren Schulterverletzung der Zürcherin neu erfinden.

Da sind sie also wieder. In dieser Arena, die für sie fast schon wie ein Wohnzimmer anmutet. Mit dem Turnier in Gstaad sind Anouk Vergé-Dépré und Joana Mäder gross geworden, zuerst als Fans, später als Spielerinnen. Im Berner Oberland ist nicht nur alles etwas lauter und grösser als sonst auf der Tour, es ist eben auch vertrauter. Und dieses Jahr ist alles nochmals eine Prise spezieller. Deshalb sagt Mäder: «Ich will die Energie des Heimpublikums ganz besonders aufsaugen.»

Denn hinter den beiden liegt eine schwierige Zeit. Vergangenen Juli verletzte sich Mäder an der WM in Rom so gravierend an der Schulter, dass sie zuerst operiert werden und danach monatelang pausieren musste. Es war eine Zeit geprägt von Tränen, Entbehrungen und Zweifeln. Aber aufgeben war für die Olympia-Dritten keine Option. Und deshalb stehen sie nun in Gstaad wieder gemeinsam im Sand, es handelt sich um ihr viertes Turnier nach dem Comeback Ende April im brasilianischen Uberlandia.

Die Krux mit der Erwartungshaltung

Rund zwei Monate ist es her, seit das Duo zur Medienkonferenz hoch oben im Münster bat. 272 Treppenstufen führen zum Turm des Berner Wahrzeichens, die beiden Athletinnen wählten die Lokalität bewusst aus, der Aufstieg sollte als Metapher für ihren langen Weg dienen, der sie im nächsten Sommer nach Paris zu den Olympischen Spielen führen soll. Seither sind sie auf höchster Stufe – der Elite-16-Kategorie, in welcher die besten zwölf Teams der Weltrangliste sowie vier Qualifikanten teilnehmen – zweimal in den Viertelfinal vorgestossen. Die Frage lautet deshalb: Wie weit sind sie auf ihrem Weg bereits gekommen?

«Wir stehen noch am Anfang», sagt Mäder, «doch wir müssen uns immer bewusst sein, wo wir herkommen. Und dass die Phase der Olympia-Quali noch lange dauert.» Das ist gar nicht so einfach, wenn der Start glückt und die Erwartungshaltung entsprechend steigt. «Wir dachten sofort: Wow, nun wollen wir unbedingt mehr», sagt Mäder. «Aber da müssen wir uns auch einmal bremsen.» Zuletzt halfen die Gegnerinnen in Jurmala tatkräftig mit, als sie den Schweizerinnen aufzeigten, dass da eben noch eine Menge Arbeit auf sie wartet – es resultierte für sie Rang 9 nach dem Out in der ersten K.-o.-Runde. «Wir müssen manchmal netter zu uns selbst sein und akzeptieren, dass dieser Prozess eben länger dauert. Das ist einfacher gesagt als getan, weil wir beide nicht sehr geduldig sind», hält Vergé-Dépré fest.

Neun Monate waren sie ohne Wettkampf, und die Belastung eines Turniers lässt sich im Training nicht 1:1 simulieren. Das gilt gerade für Mäders Schulter, die sich nach wie vor bemerkbar macht, je grösser die Intensität wird. Die leichten Schmerzen, die jeweils auftreten, führt sie primär auf die Müdigkeit zurück, weil der Muskel in der Schulter noch nicht so weit entwickelt ist. Es gilt nun, die Belastung peu à peu anzupassen. Zwar hält das Schultergelenk dank der Operation die Schläge aus. «Aber es wird eine Schwachstelle bleiben», sagt Mäder. So wie es ihr Rücken auch ist, seit sie im Juli 2018 in Gstaad einen Bandscheibenvorfall erlitt. «Auch ihn spüre ich ab und zu noch, und trotzdem bin ich wieder zurückgekommen.» 2020 holten die Zürcherin und die Bernerin den EM-Titel, ehe sie ein Jahr später in Tokio als erstes Schweizer Frauen-Duo überhaupt Olympia-Edelmetall (Bronze) gewannen.

Die Gegnerinnen kennen kein Erbarmen

Mäders Stärke war stets ihre Physis. Die kraftvollen Angriffe und ihre «Monsterblocks» zeichneten sie aus. Aber nun muss sie mit 31 einen anderen Weg gehen, um die Gegnerinnen zu überlisten, weil die Schulter ein solches auf Kraft ausgerichtetes Spiel nicht mehr zulässt. «Dafür muss ich im Kopf bereiter sein, andere Lösungen finden. Doch das kostet viel Energie», hält sie fest. Wobei selbiges auch für Vergé-Dépré gilt, weil sie ihre Zuspiele präziser anbringen muss, damit Mäder diese trotz einer gewissen Immobilität in der Schulter nutzen kann.

Seit Wochen arbeiten die beiden mit Trainer Spiros Karachalios an ihrem neuen Spiel, und diese Transformation ist längst nicht abgeschlossen, das haben die Gegnerinnen registriert. Meist wird direkt auf Mäder gespielt, in der Hoffnung, eine Schwachstelle zu finden. «Ich würde es genauso machen», hält sie fest. Die beiden Spielerinnen kommunizieren deshalb noch mehr untereinander, um Mittel und Wege zu finden, dem Druck der Gegnerinnen zu trotzen.

In den nächsten Monaten erhalten Vergé-Dépré und Mäder jedenfalls viele Gelegenheiten, sich weiterzuentwickeln. Der Turnierkalender dauert bis Anfang Dezember, er ist so ausgedehnt wie noch nie. Und er beinhaltet mit der EM Anfang August in Wien und der WM im Oktober in Tlaxcala zwei Highlights. Spätestens bis zu den Titelkämpfen in Mexiko will das Duo so weit sein, um wieder um Medaillen spielen zu können. Mäder denkt an die WM in Rom, als sie im kleinen Final auf Siegkurs gewesen sind, ehe sie sich bei einem Float-Service die Schulter auskugelte. Denn: Eine WM-Medaille fehlt noch im Palmarès des Duos, das seit 2017 zusammen spielt. «Diese Chance wurde uns letztes Jahr genommen», sagt Mäder, «das haben wir noch im Hinterkopf.»