Die Fasnacht der Schwulenhasser
In einer Provinzstadt in Kroatien verbrennen rabiate Katholiken die Kartonfigur eines schwulen Paares. Im EU-Land tobt ein Kulturkampf um Homosexualität und Familienpolitik.
Bei Fasnachtsumzügen wird oft nicht nur die Alkoholgrenze überschritten. Ein Beispiel dafür lieferte am Wochenende der Karneval in Imotski, einem Flecken im Hinterland der kroatischen Adriaküste. Gemäss einer Tradition, die angeblich seit 150 Jahren gepflegt wird, wählen die Veranstalter ein zentrales Thema, das symbolisch als «Übel des Jahres» durch die Strassen geführt wird. In der Regel handelt es sich um Politiker, was sonst, da gibt es keinen grossen Unterschied zwischen den Umzügen in der Schweiz oder in Deutschland.
In diesem Jahr wurden in Imotski jedoch Lesben und Schwule als Feindbild ausgesucht. Zunächst wurde die Kartonfigur eines küssenden, schwulen Paares mit Kind durch die Stadt gezogen. Dahinter liefen kleine Kinder, alle als unschuldige Lämmer verkleidet. Nachdem die Menge den Marktplatz erreicht hatte, wurde die «Regenbogenfamilie» angezündet. Das zufriedene, gottesfürchtige Volk applaudierte unter Musikklängen.
Mit der Aktion protestierten die Teilnehmer gegen die staatliche Familienpolitik. Kürzlich hat das Verfassungsgericht Kroatiens angeordnet, dass gleichgeschlechtliche Paare Pflegekinder aufziehen dürfen. Seither verteufeln die Konservativen die Richter und vor allem die linken Politiker. «Wir sind eine konservative Gesellschaft, die sich an die Tradition hält. ‹Gib das Kind der Mutter›, wie man zu sagen pflegt. Wir denken, dass das so richtig ist», sagte der Veranstalter des Karnevals, Milivoj Djuka.
Für Djuka ist es offenbar auch richtig, neben dem Hakenkreuz zu posieren und sich mit dem Bild in den sozialen Netzwerken zu rühmen. Die kroatischen Medien haben die umstrittene Aufnahme veröffentlicht.
64 Prozent lehnen Adoptionsrecht ab
Staatschef Zoran Milanovic, der sein Amt vergangene Woche angetreten hat, bezeichnete die Verbrennungsaktion als «traurig, inhuman und inakzeptabel». Hass werde niemals zur kroatischen Tradition zählen, so der Sozialdemokrat. Auch die konservative Regierung unter der Führung der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) verurteilte die Homophobie während des Fasnachtsumzuges. Doch es gab HDZ-Parlamentarier, welche aus Imotski nur die «Stimme des Volkes» hören wollten.
Seit Kroatien 2013 der EU beigetreten ist, tobt in dem Land ein Kulturkampf um die Familienpolitik und die Rechte von Homosexuellen. Damals nahm das Volk eine Initiative der katholisch-konservativen Bewegung «Im Namen der Familie» an, welche die Ehe als «lebenslange Union von Frau und Mann» definierte. Mit der Verfassungsänderung wurde die gleichgeschlechtliche Ehe verboten. 2014 ermöglichte das Parlament per Gesetz die eingetragene Lebenspartnerschaft.
Dagegen laufen die Konservativen Sturm. Laut einer Umfrage des kroatischen Fernsehens lehnen knapp 64 Prozent der Befragten das Recht auf Pflegeelternschaft für Schwule und Lesben ab. Und für viele fromme Katholiken gilt nur das heilige Bibelwort, wonach gleichgeschlechtliche Beziehungen eine «schändliche Leidenschaft» seien.
Katholizismus als Identitätsmerkmal
Das Selbstbild Kroatiens dominiert die Religion. Die katholische Kirche erhält viel Geld vom Staatshaushalt, sie propagiert einen strammen Konservatismus und pflegt ein nationalistisches Gedankengut. Ob Abtreibung, Homosexualität oder Flüchtlinge – die Kirchenmänner sind skeptisch, oft protestieren sie lautstark dagegen.
Auch für die rechtskonservative Partei HDZ bildet der Katholizismus einen wichtigen Bestandteil der nationalen Identität. Damit will man sich vom angeblich rückständigen, osmanisch-muslimisch und christlich-orthodox geprägten Balkan unterscheiden. Gerne wird betont, dass Kroatien zum europäisch-abendländischen Kulturkreis zählt.
Liberale Medien kratzen gern an diesem Selbstbild vieler Kroaten. In einem scharfen Kommentar über die Vorkommnisse in Imotski schreibt die Tageszeitung «Jutarinji list», in Kroatien seien Xenophobie und Gewalt längst legalisiert. Das ist gewiss eine Übertreibung.
Doch völlig zu Recht kritisiert der Kommentator, dass in dem EU-Land der Faschistengruss «Za dom – spremni» («Für die Heimat – bereit») faktisch erlaubt sei und die Verbrennung einer Papp-Figur eines schwulen Paares von einigen Politikern als Humor verharmlost werde. Wären die Karnevalisten aus Imotski in anderen Zeiten geboren, sie hätten nicht gezögert, auch echte Menschen und Bücher zu verbrennen, so «Jutarinji list».
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