Krimi der WocheDie Ermordete war schon lange tot
In «Wer zweimal stirbt» lässt der schwedische Bestsellerautor Leif GW Persson wieder einmal seinen Kotzbrocken-Kommissar Bäckström ermitteln.
Der erste Satz
Am Dienstagnachmittag, 19. Juli, klingelte kurz vor sechs jemand an der Tür von Kriminalkommissar Evert Bäckströms Wohnung im Stockholmer Stadtteil Kungsholmen.
Das Buch
Der Schädel, den ein Pfadfinder gefunden und seinem bewunderten Nachbarn, dem Kommissar Evert Bäckstrom, gebracht hat, weist ein Loch auf. Und im Schädel kullert eine Kugel rum. Da wurde jemand erschossen, das ist klar. Doch mit dem Treffer bei der DNA beginnen die Probleme: Diese Frau ist viele Jahre früher schon einmal gestorben, beim Tsunami in Thailand.
«Wer zweimal stirbt» heisst denn der neue Krimi des schwedischen Bestsellerautors Leif GW Persson, der auch Schwedens berühmtester Kriminologe ist. Der Roman lebt nicht nur vom geschickt aufgebauten Plot, sondern vor allem auch durch seine Hauptfigur, die Persson nicht zum ersten Mal ins Rennen schickt. «Kommissar Bäckström ist klein, dick und verschlagen», beschreibt ihn die schwedische Geheimdienstchefin einem, der ihn nicht kennt. «Er hat drei grosse Interessen im Leben: Alkohol, Frauen und dass er sich selbst ein schönes Leben machen und seinen Lohn einstreichen kann, am besten ohne einen Fuss an seinen Arbeitsplatz zu setzen.» Ausserdem sei er, sagt sie weiter, ein politischer Vollidiot, schwedischer Patriot, xenophob, homophob und im Übrigen auch glühender Anhänger von allen anderen Phobien.
Er hat die eine oder andere gute Eingebung, die Arbeit machen seine engagierten Mitarbeiter.
Auf den schwedischen Bäckström-Romanen basierte vor ein paar Jahren die kurzlebige US-Serie «Backstrom» um einen zynischen Macho-Cop in Portland, Oregon. Der Roman-Bäckström benimmt sich nicht nur daneben, sondern ist der erfolgreichste Ermittler in Stockholm. Wobei er gar nicht wirklich ermittelt. Er hat die eine oder andere gute Eingebung, die Arbeit machen seine engagierten Mitarbeiter. Die Sitzungen mit ihnen setzt er so am Vormittag an, dass er danach rechtzeitig zum mittäglichen Schlemmen in eines seiner bevorzugten Restaurants kommt. An einem idealen Tag geht es dann zu einem Mittagsschläfchen nach Hause, um schliesslich in aller Ruhe beim einen oder anderen Gläschen den Abend mit weiteren Völlereien, einem gepflegten Besäufnis und sexuellen Aktivitäten zu planen.
Das alles erzählt Altmeister Persson, inzwischen 75-jährig, in munterem Plauderton, wobei er scharfe Beobachtungen des Beamtenapparats mit fast schon satirischer Überzeichnung mischt, ohne dabei auf kundige Einblicke in die Ermittlungsarbeit der Polizei zu verzichten. Das braucht etwas Raum, und so ist «Wer zweimal stirbt» mit gegen sechshundert Seiten ein recht fetter Wälzer. Doch weil die Figuren gut gezeichnet oder auch mal karikiert sind, der Fall schön vertrackt und spannend erzählt wird und daneben alles ziemlich witzig daherkommt, ist man über die ganze Strecke nicht nur gut, sondern auch intelligent unterhalten.
Die Wertung
- Originalität: ★★★★☆
- Spannung: ★★★★☆
- Realismus: ★★★★☆
- Humor: ★★★★☆
- Gesamteindruck: ★★★★☆
Der Autor
Leif Gustav Willy (GW) Persson, geboren 1945 in Stockholm, ist Kriminologe und war ab 1967 im Polizeidienst tätig. 1977 löste er einen der grössten Justizskandale Schwedens aus: Er arbeitete bei Rikspolisstyrelsen, der Aufsichtsbehörde der schwedischen Polizei, und machte als Whistleblower die Kontakte des damaligen Justizministers zu Prostituierten publik. Er wurde aus dem Polizeidienst entlassen und schrieb nach einem Suizidversuch seinen ersten Kriminalroman «Grisfesten» (1978, auf Deutsch nicht erschienen), in dem es um einen Minister und dessen Kontakte zu Prostituierten ging.
Seither veröffentlichte er mit grossem Erfolg elf weitere Krimis, die auch auf Deutsch erhältlich sind, eine Autobiografie sowie mehrere Jagd- und Kochbücher. Persson wurde mehrfach ausgezeichnet, und seine Bücher, die in mehreren Sprachen veröffentlicht werden, erreichen Millionenauflagen.
1982 wurde er ausserordentlicher Professor an der Universität Stockholm, von 1991 bis 2012 lehrte er bei Rikspolisstyrelsen Kriminologie. Von 1999 bis 2009 trat er als Experte in einer schwedischen TV-Sendung in der Art von «Aktenzeichen XY … ungelöst» auf («Efterlyst», deutsch: «Gesucht»), seit 2010 bei einer ähnlichen Sendung eines anderen Senders («Veckans brott», deutsch: «Verbrechen der Woche»). Auf seinen Romanen mit dem zynisch-arroganten Kommissar Evert Bäckström basiert die amerikanische TV-Serie «Backstrom», die in Portland, Oregon, spielt, aber 2015 schon nach der ersten Staffel abgesetzt wurde.
Persson ist zum dritten Mal verheiratet und hat mehrere Kinder, darunter eine Tochter, Malin Persson Giolito, die ebenfalls Kriminalromane schreibt. Er lebt in Solna, einem Vorort von Stockholm, und in einem Landhaus mit Jagdrevier im Södermanland südlich von Stockholm.
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