Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Corona in Neuseeland
Die einstige Corona-Heldin gerät in Erklärungsnot

Früher gefeiert, jetzt in der Kritik: Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Heute Dienstag war Jacinda Ardern bei Newshub, einem neuseeländischen Nachrichtensender. Zehn Minuten lang stellte sich die Premierministerin den Fragen zum derzeitigen Corona-Ausbruch, der das kleine Land im Pazifik gerade trifft. Am Dienstag vergangener Woche verhängte Ardern wegen eines einzigen bestätigten neuen Falls in Auckland einen strikten Lockdown – den ersten seit März 2020. Zehn Minuten lang war zu sehen: So unter Druck wie aktuell stand Ardern in ihrer politischen Karriere wohl noch nie.

Ardern muss gar nicht erklären, wie es möglich ist, dass sich trotz restriktivster Grenzpolitik die hochansteckende Delta-Variante in Neuseeland in einem immer grösser werdenden Cluster ausbreitet, diese Fragen richtet man auch in Neuseeland an Virologen. Vielmehr steht die Frage im Raum, warum in einem Land, das nur 4,9 Millionen Einwohner hat, ein halbes Jahr nach Start der Impfkampagne immer noch weniger als ein Viertel der Menschen vollen Impfschutz haben. Laut Recherchen von Newshub sind nur 3 der 107 gemeldeten Covid-Fälle in Neuseeland vollständig geimpfte Personen. Der Ausbruch wäre bei hoher Impfquote also womöglich zu verhindern gewesen.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

«Wir haben immer gesagt, dass es ein Jahr dauern würde», sagte Ardern, sie sprach etwas hektisch von alten Leuten, die schon mehrheitlich geimpft seien, und unterbrach den Moderator, angesprochen auf andere Länder: «Man sieht auch dort, dass sich das Impftempo irgendwann verlangsamt.»

Neuseelands Premierministerin ist seit Oktober 2017 im Amt, bei ihr zählte schon immer die Wirkung ihrer Worte. Die Ruhe, die sie in Krisen ausstrahlte, brachte Ardern ihren weltweit guten Ruf als besonnene, modern führende Politikerin ein. Nach dem Terroranschlag in Christchurch 2019 vereinte sie ihr Land auf beeindruckende Weise und nahm die muslimische Minderheit in Schutz. Als im vergangenen Jahr die Pandemie auch in Neuseeland einfiel, schottete Ardern ihr Land ab und beschwor innere Einigkeit im Kampf um ein Corona-freies Neuseeland. Die Menschen folgten ihr – im Herbst 2020 wurden Ardern und die Labour-Partei als Regierungspartei wiedergewählt.

Auftritte mit Ed Sheeran

Arderns internationale Auftritte erinnerten schon vor der Pandemie an einen Popstar: Sendungen mit dem US-Comedian Stephen Colbert, den sie nach Neuseeland zum Grillen einlud, Online-Interviews mit dem Sänger Ed Sheeran und eine Titelgeschichte auf dem Cover des «Time Magazine» brachten Ardern Renommee ein. Kein neuseeländischer Politiker vor ihr erreichte einen derartigen Status in der weiten Welt, von der das kleine Land sonst immer einen Langstreckenflug entfernt ist.

Im eigenen Land tut Arderns weltweite Beliebtheit allerdings wenig zur Sache. Dort interessieren die Probleme, die im Rest der Welt oftmals nicht ankommen, wenn vom paradiesischen Neuseeland die Rede ist: Ungleichheiten bestehen weiterhin, die Immobilienpreise sind allein im vergangenen Jahr um 20 Prozent gestiegen, 1 Prozent der Bevölkerung ist obdachlos, die höchste Quote innerhalb der OECD-Länder. Arderns innenpolitische Bilanz der vergangenen vier Jahre wird geprägt von Gesten und Management in Krisen und nicht von beeindruckenden Zahlen – mit einer Ausnahme: Die Strategie der null Fallzahlen war entscheidend für ihren persönlichen Erfolg bei der Wahl, sie scheint mit dem Ausbruch der Delta-Variante allerdings nur noch schwer umsetzbar zu sein.

Stattdessen untermauern die Zahlen zu Corona nun die Kritik an Ardern und ihrer Regierung: 4,6 Intensivbetten pro 100’000 Einwohner gibt es in Neuseeland. Diese erschreckend niedrige Zahl und die niedrige Impfquote führen dazu, dass der Null-Covid-Kurs, den die Neuseeländer nun nicht mehr in Freiheit, sondern im landesweiten Lockdown erleben, momentan alternativlos ist.