SRG-WahlbarometerDie Diskussion um die Zauberformel ist neu lanciert
Neuer Zündstoff für die Debatte über die Sitzverteilung im Bundesrat: In einer Umfrage liegen drei Parteien praktisch gleichauf. Besonders die FDP muss sich Sorgen machen.
Zwei Jahre vor den nächsten Wahlen steckt die FDP in einem Formtief: Ihr Wähleranteil ist gemäss dem SRG-Wahlbarometer gegenüber den Wahlen von 2019 um 1,5 Prozentpunkte zurückgegangen. Damit liegt die FDP praktisch gleichauf mit der Mitte und den Grünen. Alle drei Parteien kommen auf einen Wähleranteil von etwas mehr als 13 Prozent. Für die FDP dürfte es damit schwierig werden, zu begründen, warum sie weiterhin zwei Bundesratssitze haben sollte, während Die Mitte einen und die Grünen keinen Sitz hat.
Die Grünen konnten sich halten, die GLP legte um 2 Prozentpunkte zu. Die Mitte-Partei ist dank der Fusion von CVP und BDP neu auf demselben Niveau wie die FDP, mit einem geringen Verlust von 0,5 Prozentpunkten. Die SP verlor 1 Prozentpunkt, die SVP konnte um 1 Prozentpunkt zulegen. Zu beachten ist der Fehlerbereich (plus/minus 1,3 Prozentpunkte).
Mit dem aktuellen Resultat wäre ein Bundesrat mit zwei SVP-Vertretern und je einem Vertreter oder einer Vertreterin von SP, FDP, Mitte, Grünen und GLP denkbar. Sowohl die FDP als auch die SP würden also einen Sitz verlieren. Ebenfalls denkbar wäre, dass die Grünen oder die Grünliberalen einen Sitz auf Kosten der FDP erhalten. Daneben steht eine Vergrösserung des Bundesrates auf neun Mitglieder zur Diskussion. Doch welche neue Zauberformel ist politisch realistisch?
«Völlig unhaltbar»
Für den Präsidenten der Grünen, Balthasar Glättli, steht fest: «Die aktuelle Zusammensetzung des Bundesrates ist völlig unhaltbar.» Die Grünen seien gegenüber der FDP schon lange untervertreten, sagt Glättli auf Anfrage. Nun gebe es ein Kopf-an-Kopf-Rennen dreier gleich grosser Parteien. Ausserdem stünden die Grünen für jenes Thema, das die Wählenden und eine breite Bewegung am stärksten beschäftige: den Kampf gegen den Klimawandel.
Nach ihrem Wahlsieg vor zwei Jahren erhoben die Grünen Anspruch auf einen Bundesratssitz auf Kosten der FDP – und scheiterten. Die bürgerlichen Parteien argumentierten, die Grünen müssten sich erst beweisen und ihren Erfolg bestätigen.
Falle das Wahlresultat in zwei Jahren so aus wie die aktuelle Umfrage, müssten die FDP, Die Mitte und die Grünen je einen Bundesratssitz erhalten, sagt Glättli. «Alles andere wäre seltsam.» Ein Bundesratssitz für die GLP als Sitz für das grüne und das grünliberale Lager kommt für Glättli nicht infrage. Die Grünen hätten nicht nur mehr Wähleranteile, sondern auch bei den kantonalen Wahlen besser abgeschnitten. Und sie seien im Gegensatz zur GLP im Ständerat vertreten.
Die FDP dagegen will vorläufig nichts von einer neuen Zauberformel hören. Es handle sich bloss um eine Umfrage, sagt der neue Parteipräsident Thierry Burkart. Und die Resultate basierten auf der Performance der Partei in der Vergangenheit. Nun habe ein neues Führungsteam übernommen, welches die Positionen der FDP schärfen werde. Abgesehen davon habe die FDP zwei bewährte Bundesratsmitglieder.
Cassis mit schlechten Noten
Allerdings ist FDP-Vertreter Ignazio Cassis jener Bundesrat, der nach Einschätzung der Befragten am wenigsten Einfluss im Bundesrat hat. Diese Einschätzung dominiert auch in der eigenen Anhängerschaft. Die zweite FDP-Vertreterin, Karin Keller-Sutter, ist deutlich besser positioniert, gegenüber der letzten Befragung aber zurückgefallen.
Auch bei der Sympathie schneidet Cassis am schlechtesten ab: Nur 4 Prozent der Befragten finden ihn «sehr sympathisch». An der Spitze liegt SP-Bundesrat Alain Berset: Für die Anhängerschaften aller Parteien ist er der einflussreichste Bundesrat. Berset erhält auch am meisten Sympathiepunkte. Dass der Gesundheitsminister noch zulegen konnte, dürfte mit der Pandemie zusammenhängen.
Mit Kritik an den Massnahmen zur Pandemiebekämpfung lässt sich aber ebenfalls punkten: Die SVP hat sich innerhalb eines Jahres um 2,5 Prozentpunkte verbessert – und verzeichnet damit die grösste Veränderung aller Parteien seit der letzten Wahlumfrage. Das Thema «Freiheitsrechte» ist für die SVP-Basis eines der drei wichtigsten Argumente für ihren Parteienentscheid.
Insgesamt dominiert bei den Sachthemen für die Befragten jedoch trotz der Pandemie der Klimawandel: Dieses Thema wird auf die Frage nach den zentralen Herausforderungen der Schweizer Politik am häufigsten genannt. Die Pandemiebekämpfung folgt an zweiter Stelle, die Reform der Altersvorsorge an dritter. Den Klimawandel erachten besonders junge Wählende als zentral.
Die Datenerhebung fand zwischen dem 29. September und dem 3. Oktober statt. Für die Auswertung wurden die Angaben von rund 28’000 Stimmberechtigten verwendet.
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