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Meinung

Kommentar zur Justizkrise
Die Bevölkerung verliert den Glauben – die Kriminellen gewinnen

Die Justiz im Fokus: Blick auf die Zürcher Vollzugsanstalt Pöschwies.

Betrüger, Sexualstraftäter, selbst Verdächtige von Tötungsdelikten: Sie erhielten mildere Strafen, weil Verfahren in der Schweiz zu lange dauern. Jeder dieser Fälle ist ein Armutszeugnis für unser Justizsystem. Und ein Affront für die Opfer, die jahrelang auf ein Urteil warten müssen – nur um dann zum Teil mit anzusehen, wie ihre Peiniger von einem Sanktionsrabatt profitieren.

Schuld am drohenden Kollaps? Sicher nicht die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Über 500’000 neue Fälle landeten allein im letzten Jahr auf ihren Tischen. Da können sie sich noch so bemühen: Am Ende bleibt nicht für alle Delikte die Zeit, die nötig wäre. Schon jetzt werden die allermeisten Fälle kurz und knapp mit einem Strafbefehl abgeschlossen. Trotzdem häufen sich die Pendenzen. Das Nachsehen haben dabei auch alle, die wegen falscher Vorwürfe jahrelang in die Mühlen der Justiz geraten.

Die Konferenz der Schweizer Staatsanwälte warnt seit langem. Nur interessiert das niemanden. Man sei besorgt über die Entwicklung, hiess es vor fünf Jahren. Es gehe zunehmend nur noch um Formalien – immer weniger um die Wahrheit. Der Hilferuf der Staatsanwälte landete auf Seite 234 der Vernehmlassung zur neuen Strafprozessordnung, die zusätzliche Regeln für das Strafverfahren mit sich brachte. Er verhallte ungehört: Verschiedene Änderungen, die einen deutlichen Mehraufwand für die Ermittler bedeuten, sind bereits in Kraft. Weitere sollen 2024 folgen.

«Trotz alldem knausern die Kantone, wenn es um zusätzliche Stellen bei den Strafverfolgungsbehörden geht.»

Deutlich mehr Gehör finden die Forderungen der Rechtsanwälte, einer der mächtigsten Berufsgruppen im Bundesparlament. Es erstaunt daher nicht, dass die Rechte der Beschuldigten in den letzten Jahren deutlich ausgebaut worden sind. Darunter mögen sinnvolle Neuerungen sein. Aber wenn all die Paragrafen und Formalien dazu führen, dass Verfahren zum Teil mehr als ein Jahrzehnt dauern oder Delikte am Ende gar verjähren, dann gibt es nur einen Gewinner: den Kriminellen.

Die Situation ist mittlerweile so prekär, dass auch ein erfahrener Rechtsanwalt die Forderungen der eigentlichen Gegenseite unterstützt: Es brauche einen runden Tisch, an dem alle Parteien unvoreingenommen nach Lösungen suchten, fordert er.

Platz nehmen müsste dringend auch das Eidgenössische Justizdepartement. Doch vom Bund kam bisher wenig Unterstützung in der Krise – die Strafverfolgung sei Sache der Kantone. Das ist zu wenig. Denn auch die Gesamtbevölkerung gehört zu den Verlierern: Sie verliert gerade das Vertrauen in die Justiz.