Kommentar zum Projekt «Story Killers» Die Behörden haben den Ernst der Lage nicht erkannt
Journalistinnen werden in vielen Ländern alleingelassen in ihrem Kampf gegen die Desinformationsindustrie. In der Schweiz erleichterte das Parlament jüngst gar das Vorgehen gegen die hiesige Presse.
30 Medien weltweit berichten derzeit gemeinsam unter dem Titel «Story Killers» über Desinformation und das Hacken von Politikern, auch diese Zeitung ist mit dabei. Doch schon während der Recherche kam bei uns die Frage auf, ob sich die Behörden eigentlich bewusst sind, wie ernst die Lage ist.
Unsere Kollegen aus Israel und Frankreich deckten unter beträchtlicher persönlicher Gefahr ein Netz von israelischen Ex-Agenten auf, mit engen Verbindungen zum israelischen Staat. Die Truppe bot für ein paar Millionen das globale Hacken von Politikern und das Manipulieren von Wahlen als käufliche Waren an. Das ist ein direkter Angriff auf das Fundament jeder Demokratie.
Dann erreichten uns Anfang Februar euphorische Tweets über einen «historischen Moment»: Der oberste Verantwortliche für die Schweizer Cybersicherheit sei gerade in Tel Aviv und suche in Israel «Kooperationspartner».
Es fehlt noch der Hinweis, die Hacker mögen sich bitte an die Geschäftszeiten halten.
Einen Tag später meldete die Uni Zürich einen massiven und «äusserst professionellen» Cyberangriff. Alle Passwörter müssen ausgetauscht werden. Am nächsten Tag – wir sind immer noch am Recherchieren zu Hackerattacken – erreicht uns die Meldung, die wichtigste Stelle der Schweiz im Kampf gegen Cyberangriffe sei nur tagsüber besetzt. Wegen «Personalmangels». Es fehlt noch der Hinweis, die Hacker mögen sich bitte an die Bürozeiten halten.
Da stellt sich die Frage: Wer kämpft eigentlich gegen die weltweite Desinformationsindustrie, die längst ein Multimillionen-Dollar-Geschäft ist? Ist dies alleinige Aufgabe von Investigativjournalistinnen in Indien, Israel oder Südamerika? Viele dieser Kolleginnen werden heftig bedroht, Kolleginnen aus Malta und Indien wurden gar ermordet.
In der Schweiz erleichterte es das Parlament letztes Jahr, gegen Journalistinnen juristisch vorzugehen. Das spielt der Desinformationsindustrie direkt in die Hände. Und die – das zeigt «Story Killers» – floriert.
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