Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Beziehung zwischen Schweiz und China
Dialog über Menschen­rechte mit Peking startet neu – mit einem Affront

Die letzte Diskussionsrunde fand im Juni 2018 in Peking statt: Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi in Peking. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Vier Jahre lang wurde die Schweiz von China boykottiert. Seit 2019 hat sich das Pekinger Regime geweigert, sich dem sogenannten Menschenrechtsdialog mit der Schweiz zu stellen, den die beiden Länder 1991 vereinbart hatten.

Die letzte Diskussionsrunde fand im Juni 2018 in Peking statt. Als das Aussendepartement (EDA) 2019 zur nächsten Runde einlud, verweigerten die Chinesen ihre Teilnahme. Der Grund: Die Schweiz hatte damals Chinas Vorgehen gegen die Uiguren kritisiert, mittels international koordinierter Stellungnahmen im Rahmen der UNO. Später diente den Chinesen auch die Pandemie als Grund, um Treffen mit der Schweiz abzusagen.

Seither hat das EDA mehrmals versucht, das Format wieder in Gang zu setzen. So kündigte Cassis etwa im März 2021 in der «Handelszeitung»an: «Mein Ziel ist es, dass wir den Dialog in diesem Jahr wieder aufnehmen können.» Dieses Ziel wurde bei weitem verpasst.

Doch nun hat das EDA – ohne Ankündigung – am Dienstagabend überraschend bekannt gegeben, dass wieder ein Menschenrechtsdialog mit China stattgefunden habe. Am Montag und am Dienstag weilten Vertreter verschiedener Pekinger Ministerien in Bern. China habe sich «erfreulicherweise bereit erklärt, diesem Austausch wieder mehr Bedeutung einzuräumen», so das EDA in seiner Medienmitteilung.

Chinesisches Veto gegen EDA-Pläne

Doch die Wiederaufnahme verlief nicht nur in Minne. Das EDA, das turnusgemäss die Tagesordnung festlegen durfte, wollte bei dem Gespräch auch Schweizer Menschenrechtsorganisationen dabeihaben. Fünf Nichtregierungsorganisationen sagen, sie hätten vom EDA bereits eine Einladung erhalten: die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Amnesty International, der Uigurische Verein Schweiz, die Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft und der International Service for Human Rights.

Breaking News? Ausgewählte Leseempfehlungen? Downloaden Sie hier unsere News-App und bleiben Sie mit den Push-Nachrichten stets auf dem Laufenden.

Diese fünf Organisationen hätten gegenüber den Chinesen jene Menschenrechtsprobleme ansprechen wollen, mit denen sie sich auskennen. Der Uigurische Verein hätte etwa nach eigenen Angaben über die Zwangslager und die «kulturelle Auslöschung» in Xinjiang sprechen wollen, die GfbV über «Einschüchterungen von Exiltibeterinnen und -uiguren in der Schweiz» und Amnesty International über die im Reich der Mitte oft angewandte Todesstrafe.

China steht rund um den Globus in der Kritik: Studentenproteste gegen die Behandlung der Uiguren vor der chinesischen Botschaft in Jakarta.

Doch all das wollten die chinesischen Diplomaten nicht hören. Vertreter der betroffenen Organisationen sagen, die Chinesen hätten gegenüber dem EDA ihr Veto gegen ihre Teilnahme eingelegt. Das machten sie am Abend in einer gemeinsamen Medienmitteilung publik. «Dass die Volksrepublik wieder bereit ist, mit der Schweiz über Menschenrechte zu reden, ist eigentlich ein gutes Zeichen», sagt Selina Morell von der Gesellschaft für bedrohte Völker. «Dass sich die chinesische Seite bereits vor einem harmlosen Austausch mit uns scheut, ist aber nicht gerade ein Zeichen für ein ehrliches Interesse an einem kritischen Dialog.»

Kanton Jura als Vorbild? Bern will Peking zeigen, wie die Schweiz Minderheitenkonflikte löst.

Die Schweizer Delegation wurde von Christine Löw geleitet, der stellvertretenden Chefin der EDA-Abteilung Frieden und Menschenrechte. Dabei führte Löw die chinesische Delegation auch nach Delsberg. Im Hauptort des Kantons Jura wollte man den Chinesen aufzeigen, dass auch die Schweiz Minderheitenkonflikte kennt und wie sie diese im Fall der Jurassier gelöst hat – nämlich mit der Schaffung eines eigenen Kantons.

Einen Menschenrechtsdialog mit den Chinesen muss man sich gemäss früheren Teilnehmenden so vorstellen: Die beiden Delegationen, denen mehrere Personen angehören, sitzen sich gegenüber und diskutieren miteinander über Menschenrechtsprobleme, die sie im jeweils anderen Staat orten. Dabei dürften die Chinesen den Schweizern wenig schuldig bleiben und ihnen ebenfalls tatsächliche oder angebliche Menschenrechtsverletzungen vorhalten.

In dem Dialog der letzten zwei Tage ging es laut Medienmitteilung des EDA unter anderem um bürgerliche und politische Rechte, die Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit. Auch die Rechte von ethnischen oder religiösen Minderheiten oder Frauen seien zur Sprache gekommen. «Auch Menschenrechtsverletzungen in spezifischen Kontexten wie etwa gegen die tibetische und die uigurische Bevölkerungsgruppe und die Lage in Hongkong sowie verschiedene Einzelfälle wurden besprochen», schreibt das EDA weiter.

Mehr als ein Feigenblatt?

Gestartet hat die Schweiz ihren Menschenrechtsdialog mit China schon 1991. Bürgerliche Politiker und Wirtschaftsvertreter sehen darin ein gutes Instrument. Ihr Argument: Mit den Chinesen über Menschenrechtsverletzungen reden ist besser, als gar nichts zu tun. Linke Politiker wie die grüne Nationalrätin Sibel Arslan oder der SP-Nationalrat Fabian Molina sagen hingegen, die Gefahr sei gross, dass der Dialog bloss als «Feigenblatt» diene, um mit China ungestört Geschäfte treiben zu können.

In Zukunft könnten die Menschenrechtsfragen mit China noch an Bedeutung gewinnen. Denn derzeit versucht die Schweiz, das bilaterale Freihandelsabkommen von 2014 zu modernisieren. Seit längerem führt das Wirtschaftsdepartement von Guy Parmelin deswegen exploratorische Gespräche mit Peking.

An einer Ausweitung des Geltungsbereichs des bestehenden Abkommens hat etwa die Schweizer Maschinenindustrie grosses Interesse. Doch bis weit in die politische Mitte hinein gibt es kritische Stimmen an engerer Wirtschaftszusammenarbeit mit dem Reich der Mitte. «Wenn China bei den Menschenrechten keine Zugeständnisse macht, wird es zu einem ausgeweiteten Freihandelsabkommen keine Mehrheit geben – weder im Parlament noch im Volk», glaubt darum SP-Nationalrat Fabian Molina.

Uiguren demonstrieren auf dem Bundesplatz

Die prekäre Menschenrechtslage in China bleibt in Bern weiter auf der Agenda. Am Mittwochnachmittag um 14 Uhr rufen der Uigurische Verein Schweiz und weitere Organisationen auf dem Bundesplatz zur bewilligten Kundgebung gegen Chinas Repression auf. Anlass ist der 14. Jahrestages eines Massakers, das am 5. Juli 2009 in Urumqi, der Hauptstadt von Xinjiang, stattgefunden hat. Damals kamen bei schweren Zusammenstössen zwischen der uigurischen Minderheit, Han-Chinesen und Sicherheitskräften mutmasslich hunderte von Menschen ums Leben.