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Nach Amoktat von Hamburg
Deutschland diskutiert Verschärfung des Waffenrechts

Trauer und Wut: Blumen und Kerzen am Ort, wo letzte Woche in Hamburg ein 35-jähriger Mann sieben Mitglieder der Zeugen Jehovas erschossen hat, bevor er sich selbst tötete.

Verschwende nie eine gute Krise: An Winston Churchills Rat hält sich auch Nancy Faeser, Deutschlands Innenministerin. Nach dem Massaker, das ein ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas in seiner alter Hamburger Gemeinde anrichtete, sagte die Sozialdemokratin: «Niemand darf nach einer solchen Tat einfach zur Tagesordnung übergehen.» Das Waffenrecht müsse verschärft werden, und zwar so, dass bei «Anzeichen für eine Gefährlichkeit Waffenerlaubnisse gar nicht erst erteilt oder rechtzeitig entzogen werden».

Faeser möchte das Waffenrecht schon seit Monaten verschärfen: Im Dezember argumentierte sie mit den Waffen, die man bei Reichsbürgern gefunden hatte, im Januar mit den Schreckschusspistolen, mit denen Jugendliche an Silvester Rettungskräfte, Feuerwehr und Polizei bedrohten. Die 52-Jährige ist im Wahlkampf, im Herbst will sie in Hessen Ministerpräsidentin werden.

Anonymer Hinweis auf Gefährlichkeit

Die Unterstützung der Grünen ist Faeser sicher, doch die FDP, die dritte Partei der Ampel-Regierung, legt sich quer. Justizminister Marco Buschmann lehnt eine Verschärfung genauso ab wie Parteichef und Hobbyjäger Christian Lindner. Erst solle man prüfen, was das schärfere Recht von 2020 gebracht habe. Und überhaupt sei die Krux bei den Waffen der Vollzug, nicht das Gesetz.

Wie heikel die Praxis tatsächlich ist, zeigt just der Fall von Philipp F., dem siebenfachen Mörder von Hamburg. Der Sportschütze hatte erst vor kurzem eine Waffenbesitzkarte beantragt und nach den üblichen Abfragen bei allen Ämtern im Dezember auch erhalten. Im Januar ging bei der Waffenbehörde aber ein anonymer Hinweis ein, F. sei psychisch krank und hege einen Hass auf die Zeugen Jehovas.

Möchte das Waffenrecht seit Monaten verschärfen: Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser bei ihrem Besuch am Tatort der Schiesserei in Hamburg.

Kurz darauf wurde er von zwei Beamten der Waffenbehörde erneut überprüft, unangekündigt: Im Gespräch verhielt sich F. jedoch völlig normal, seine Waffe war vorschriftsgemäss verschlossen, die 1000 Schuss Munition ebenso. Da keine «Tatsachen» vorlagen, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit geschürt hätten, beliessen es die Beamten dabei. Für die Anordnung etwa eines psychologischen Gutachtens habe die rechtliche Grundlage gefehlt, sagt die Hamburger Polizei.

Manche Fachleute widersprechen: Im Zweifelsfall gehe die Sicherheit immer vor, sagte etwa Philipp Cachée zum Berliner «Tagesspiegel». Die Polizei hätte F. die Waffen präventiv abnehmen sollen, ein Gericht hätte später nachgeprüft, ob dies gerechtfertigt gewesen sei. «Die Tat hätte so verhindert werden können.»

Kriegswaffen sollen verboten und der Besitz von Schreckschusswaffen erschwert werden.

In Deutschland besitzen 950’000 Privatleute insgesamt 5,5 Millionen Schusswaffen. Die Zahl der Besitzerinnen und Besitzer nimmt seit Jahren ab, der strafbare Schusswaffengebrauch ebenfalls. Deutschland hat eines der strengsten Waffengesetze Europas. 2020 wurde es zuletzt verschärft. Seither muss bei Anträgen stets auch der Verfassungsschutz abgefragt werden, um zu verhindern, dass Extremisten legal an Waffen kommen.

Faeser möchte nun weitere Schritte gehen: Kriegswaffen sollen verboten und der Besitz von Schreckschusswaffen erschwert werden. Nach Hamburg erwägt sie zudem, auch halbautomatische Pistolen zu verbieten, wie F. eine benutzte. Insbesondere soll künftig jeder Antragsteller ein medizinisches oder psychologisches Zeugnis vorweisen müssen – das gilt bislang nur für Menschen unter 25 Jahren. «Mit einem neuen Gesetz werden wir psychisch kranke Menschen nicht daran hindern, sich Waffen zu beschaffen», widerspricht Wolfgang Kubicki, Vizeparteichef der FDP.

Und wer unterscheidet am Ende psychisch kranke, gefährliche Menschen von harmlosen Spinnern? F. hatte in den vergangenen Monaten im Internet viel religiösen Wahn verbreitet und in einem Buch auch Hitler verherrlicht. Fand die Waffenbehörde diese Aussagen bei ihren Überprüfungen von F. im Internet nicht – oder stufte sie sie nicht als belastend ein? Die Antwort auf diese Frage steht noch aus.