Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Überparteiliche Initiative
Deutschland will sein Verfassungs­gericht besser vor Extremisten schützen

23.07.2024, Berlin: Marco Buschmann (FDP, M), Bundesminister der Justiz, spricht bei der Pressekonferenz zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts. Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP haben sich mit der Union auf eine Reform für einen besseren Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Extremisten geeinigt. Foto: Britta Pedersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Von den Grünen über die SPD bis zu FDP, CDU und CSU: Eine ungewöhnlich breite Allianz aus Regierungs- und Oppositionsparteien stellte am Dienstag in Berlin eine gemeinsame Initiative vor. Sie signalisierte damit zweierlei: dass sie den Anlass für wichtig hält – und dass dieser politische Kräfte vereint, die zuletzt eher übereinander schimpften, als miteinander zu reden.

Aufgeschreckt von den Wahlerfolgen der rechtsradikalen Alternative für Deutschland, haben sich die Mitteparteien darauf geeinigt, das Bundesverfassungsgericht besser vor möglichen Feinden zu schützen. Extremisten könnten etwa seine Unabhängigkeit angreifen oder sein Funktionieren behindern wollen. Justizminister Marco Buschmann (FDP), der die überparteiliche Initiative angeregt hatte, sprach von einem «guten Tag für die Verfassungsordnung und die politische Kultur im Land».

Die Struktur und das Funktionieren des höchsten deutschen Gerichts, das Gesetze und Entscheidungen jeder Regierung mit einem Federstrich annullieren kann, falls diese der Verfassung widersprechen, sind bis anhin in einem einfachen Gesetz verankert. Sie lassen sich also mit einfacher Mehrheit im Bundestag auch jederzeit ändern.

Die Initiative schlägt nun vor, diese Grundregeln ins Grundgesetz zu schreiben, die deutsche Verfassung also. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, für die die aktuellen Regierungsparteien eben auch einen Teil der Opposition brauchen. Jede Änderung dieser Regeln wäre wiederum nur mit Zweidrittelmehrheit möglich.

Von destruktiven Mehrheiten – und Minderheiten

In der Sache geht es darum, dass das Verfassungsgericht – wie bisher – aus zwei Senaten mit jeweils acht Richterinnen oder Richtern bestehen soll, die für eine einzige Amtszeit von 12 Jahren von Bundestag und Bundesrat gewählt werden. Die Altersgrenze liegt bei 68 Jahren. Das Gericht legt zudem autonom fest, wie es seine Geschäfte organisiert und ordnet. All diese Regeln sollen die Unabhängigkeit des Gerichts von Regierung und Parlament stärken.

Was banal klingt, stellt sich im Konfliktfall oft als alles andere als banal heraus. Der Grüne Konstantin von Notz erinnerte bei der Vorstellung der Initiative daran, dass höchste Gerichte oft mit den Mitteln der Geschäftsordnung «platt gemacht» würden. Die ehemalige polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zum Beispiel verfügte, dass das oberste Gericht Anträge nicht mehr nach Bedeutung, sondern nur noch strikt nach Eingang behandeln durfte – und brachte die unabhängige Kontrolle umstrittener Regierungsgesetze damit praktisch zum Stillstand.

Freilich können nicht nur Mehrheiten destruktiv wirken, auch Minderheiten sind dazu in der Lage, sobald sie über eine Sperrminorität verfügen. Mit einem Drittel der Stimmen lässt sich in deutschen Parlamenten zum Beispiel jede Ersatzwahl von Richterinnen und Richtern blockieren, die mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden müssen. Die Allianz schlägt für diesen Fall und für das Bundesverfassungsgericht nun einen Mechanismus vor, der solche Blockaden löst, indem er das Wahlrecht vom Parlament zur Länderkammer übergehen lässt – oder umgekehrt.

Es gehe bei den Fragen, die sie sich vorgenommen hätten, um «eine sehr grundsätzliche Herausforderung», sagte von Notz: das Ringen zwischen Demokratie und Autokratie. Den Rechtsstaat gegen Verfassungsfeinde besser abzusichern, sei als Vorsichtsmassnahme sinnvoll. Justizminister Buschmann gab gleichzeitig zu bedenken, dass auf Dauer nur die Bürgerinnen und Bürger die Demokratie vor ihren Feinden beschützen könnten – kein Gesetz und keine Verfassung sei dazu allein imstande.