Kommentar zur PressefreiheitDie Hetze von «Compact» ist widerlich, dennoch ist ein Verbot falsch
Deutschlands Regierung geht gegen «geistige Brandstifter» im Umfeld der AfD vor, schiesst aber übers Ziel hinaus. Vor Gericht dürfte das Verbot kaum Bestand haben.

Vorab gilt es festzuhalten: «Compact» ist ein widerliches Medium, das gegen Jüdinnen und Juden hetzt, Muslime pauschal als Messerstecher verleumdet, Russlands Überfall auf die Ukraine und den serbischen Völkermord von Srebrenica rechtfertigt und Regierende wie Angela Merkel oder Robert Habeck als «Volksfeinde» hinter Gitter bringen will. Dieses Regime zu stürzen, sei sein Ziel, bekennt Jürgen Elsässer, der Gründer von «Compact», ganz offen.
Muss eine «wehrhafte Demokratie» wie die deutsche diese Angriffe einfach hinnehmen, um der verfassungsmässig garantierten Presse- und Meinungsfreiheit willen? Oder darf sie sich wehren? Tatsache ist, dass der deutsche Staat «Compact» schon länger nicht einfach hinnimmt. Seit 2021 stuft der Verfassungsschutz das Medium als verfassungsfeindlich und «erwiesen rechtsextremistisch» ein und überwacht es.
Seit Dienstag ist es laut Verfügung des Innenministeriums nun offiziell verboten. «Compact» agitiere nicht nur antisemitisch und rassistisch, sondern wiegle zu «Handlungen gegen die verfassungsmässige Ordnung» auf, so die Begründung.
Das Verbot ist umstritten und politisch ausgesprochen heikel. Die rechtsextremistischen «Compact»-Medien sind nämlich eng mit der Alternative für Deutschland (AfD) verbunden, der laut Umfragen derzeit zweitstärksten Partei im Land, der im September bei Wahlen in ihren östlichen Hochburgen Siege winken. Greift der Staat also zur Zensur?, so fragen nicht nur rechtsextreme Wählerinnen und Wähler, um der AfD im demokratischen Wettstreit mit den anderen Parteien zu schaden. Allein dieser Verdacht nützt der AfD, so lehrt die Vergangenheit.
Politisch wirkt das Verbot kontraproduktiv
Noch prekärer ist laut Fachleuten der verfassungsrechtliche Grund, auf dem das Verbot steht. Weil sich Medien nicht einfach so verbieten lassen, verbietet der Staat seit einigen Jahren die Vereine oder Gesellschaften, die hinter ihnen stehen. So hielt er es 2016 und 2017, als er eine neonazistische und eine linksextremistische Website verbot, und jetzt auch bei «Compact». Vor Gericht hatten erstgenannte Verfügungen Bestand, weil die betroffenen Medien unverhohlen zu Gewalt aufgerufen und Bekenntnisse zu Anschlägen publiziert hatten. Ob das Vereinsverbot das richtige Mittel war, blieb aber zweifelhaft.
Bei «Compact», das wie ein richtiges Magazin daherkommt, wird sich überdies die Frage stellen, ob ein Verbot inhaltlich gerechtfertigt und auch verhältnismässig ist. Äussern sich Elsässers Medien nur verfassungsfeindlich oder setzen sie sich dafür ein, «aggressiv-kämpferisch» die Demokratie zu stürzen, wie es das Verfassungsgericht etwa für ein Parteiverbot verlangt? Bisher wurde «Compact» noch nie wegen Volksverhetzung verurteilt. Und gäbe es strafbare Artikel: Wäre es dann nicht richtiger, diese anzuzeigen und zu sperren, als gleich das ganze Medium zu verbieten?
Kurzum: Politisch wirkt das Verbot von «Compact» kontraproduktiv, weil es die AfD in jener Opferrolle bestätigt, in der sie so anziehend wirkt. Und juristisch ist die Gefahr gross, dass das Verwaltungsgericht in Leipzig, das Verfassungsgericht in Karlsruhe oder der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg das Verbot am Ende kippt – und der AfD abermals einen Triumph schenkt.
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