Jan Böhmermann deckt aufDeutsche und Schweizer verlassen Twitter
Der Satiriker hat eine Studie durchführen lassen. Sie zeigt, wie sich das soziale Netzwerk seit Elon Musks Übernahme verändert. Auffälliges geschieht am politisch rechten Rand.
Satiriker Jan Böhmermann hat sich in seiner Sendung «ZDF Magazin Royale» dem Kurznachrichtendienst Twitter gewidmet. Es ging jedoch nicht nur um Witze zu Elon Musk («Der Milliardär, gefangen im Körper eines Rougette-Ofenkäses»), sondern auch handfeste Daten. In einer Studie wurde erhoben, wie sich Twitter aus Sicht der deutschsprachigen Nutzer zwischen Dezember 2020 und Mai 2023 verändert hat. Die Zahlen sollen den Zustand vor und nach der Übernahme durch Elon Musk widerspiegeln.
Die Analyse wurde vom Social-Media-Analysten Luca Hammer und von der Datenjournalistin Martina Schories durchgeführt. Die beiden haben während 725 Tagen über ein Script jeweils die deutschsprachigen Tweets heruntergeladen (an einigen Tagen war der Download nicht vollständig oder nicht möglich). Auf diese Weise sind gut 1,77 Milliarden Tweets und Informationen zu 4,2 Millionen Accounts zusammengekommen, die für die Studie ausgewertet wurden.
Weniger Tweets – ausser aus den rechten Kreisen
Gemäss dieser Auswertung ist die absolute Zahl der deutschsprachigen Tweets zurückgegangen. Die Auswertung erfolgte für den April, und für 2023 ergab sich ein Rückgang um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2022 waren es 17 Prozent weniger als 2021 gewesen. Der Rückgang betrifft fast alle Communitys – also Accounts, die häufig zu einem bestimmten Thema interagieren. Eine Ausnahme betrifft die Community, dem rechte Accounts zugerechnet werden: «2021 kamen von drei anderen Clustern mehr Tweets, 2023 ist er mit Abstand der aktivste. 6,8 Millionen Tweets wurden von den enthaltenen Accounts in den 22 betrachteten Tagen veröffentlicht.»
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Diese rechte Community macht die Studie an Twitter-Nutzerinnen und -Nutzern mit grossen Gefolgschaften fest, namentlich genannt werden unter anderen Alice Weidel, «Bild», Hans-Georg Maassen und – ironischerweise – Sahra Wagenknecht der Linkspartei. Sie bildet vor allem die Situation in Deutschland ab. Die Studienautoren haben aber auch eine Community «Schweiz» definiert, die sich unter anderem um die Accounts von BAG, NZZ, SRF News, «Die Republik», Viktor Giacobbo und vom «Tages-Anzeiger» formieren.
Auch die Schweizer Community ist geschrumpft
Auch in dieser Schweiz-Community ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen: 2021 erfassten die Forscher rund 485’000 Tweets von 9793 Accounts, 2023 waren es noch 395’000 Tweets von 8854 Nutzerkonten. Das entspricht einem Rückgang von gut 18 Prozent bei den Tweets und von knapp 10 Prozent bei den Accounts innerhalb von zwei Jahren.
Warum sind die rechten Accounts in den letzten zwei Jahren lauter geworden? Bei dieser Frage wollen sich die Studienautoren nicht auf die Äste hinauswagen: «Es kann an Elon Musks Aussagen liegen, von denen sich rechte Gruppen angesprochen fühlen.» Weitere mögliche Erklärungen beziehen sich auf den gesellschaftlichen Wandel oder die Algorithmen, die die Tweets aus dem vorwiegend rechten Cluster bevorzugen, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit von Interaktionen erhöht. Eines ist aber klar: Mit dem jetzigen Kurs wird Elon Musk sein Versprechen, Twitter zu einem Marktplatz der Ideen zu machen, nicht einhalten können.
Die Studienautoren weisen darauf hin, dass weitere Datenerhebungen dieser Art künftig nicht mehr so einfach möglich sein werden: Der Datenbezug erfolgte über die Twitter-Programmierschnittstelle, die seit kurzem für grössere Datenvolumen nur noch kostenpflichtig genutzt werden kann, was für eine Untersuchung dieser Art Millionenkosten zur Folge hätte.
Die Studie kann unter vogel.rip eingesehen werden.
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