Private Radio- und TV-SenderDeutliche Kritik an Bundesrätin Sommaruga
Die Medienministerin will die private TV- und Radioversorgung radikal umbauen. Doch weder die Kantone noch Parteien und Verbände goutieren ihre Pläne.
Simonetta Sommaruga will die private Radio- und TV-Landschaft neu zeichnen. In einem Verordnungsentwurf schlägt die Medienministerin neue Versorgungsgebiete vor. In jedem Gebiet soll es künftig nur noch je einen Service-public-Veranstalter für Radio und Fernsehen geben. Dieser erhält dafür Gelder aus der Radio- und Fernsehabgabe. Heute gibt es in einem Grossteil der Versorgungsgebiete mehrere konzessionierte Sender, die Geld aus dem Gebührentopf erhalten.
Damit würden zwar keine bestehenden Sender verbannt. Auch solche, die vom Bund keine Konzession erhalten, dürfen ihre Programme weiterhin verbreiten. Doch sie erhielten dann eben keine Gebührengelder mehr. Die Branche befürchtet, dass für betroffene Sender dann gälte: zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben.
Mehr konzessionierte Radiosender
Darüber hinaus will Sommaruga die Grenzen der Sendegebiete neu ziehen. Damit möchte sie sicherstellen, dass die Schweiz anders als heute flächendeckend mit privaten Radio- und Fernsehprogrammen versorgt wird. Die Zahl lokaler Radiostationen, die Gebührengelder erhalten, würde dazu von 12 auf 20 erhöht.
Das Ziel Sommarugas ist es schliesslich, mit zusätzlichem Geld die Qualität der Programme zu verbessern. Den Gebührenanteil für privates Radio und Fernsehen will Sommaruga um 28 Millionen auf 108 Millionen Franken erhöhen. Konzessionierte Radios mit einem Leistungsauftrag sollen neu 47 Millionen bekommen, was knapp einer Verdoppelung gegenüber heute entspricht. Private TV-Stationen sollen mit 47 Millionen etwa gleich viel wie bisher erhalten. Der Rest geht an Spartensender.
Letzte Woche ist die Vernehmlassungsfrist abgelaufen. Die Rückmeldungen sind fast ausnahmslos negativ. Mit Ausnahme der Kantone Zürich und Zug stellen sich alle Kantone, die Gewerkschaften, der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sowie die Parteien von SP bis SVP in zentralen Punkten gegen die Pläne.
SVP, FDP, Die Mitte sowie Gewerbeverband und Economiesuisse kritisieren insbesondere die geplante geografische Neuaufteilung gebührenberechtigter Sendegebiete. Wer die einzige Konzession für ein solches Gebiet bekommt und dafür Gebühren kassiert, muss ein bestimmtes Mass an Lokalinformationen über Politik, Kultur und Sport liefern. Das Problem: Die neuen Gebiete verlaufen gemäss neuer Bundesratsverordnung entlang der Kantonsgrenzen und nicht mehr wie heute entlang kultureller und wirtschaftlicher Räume.
Was bedeutet das im konkreten Fall?
Das für das Ausschütten von Gebührengeldern an lokale Radio- und TV-Stationen verantwortliche Bundesamt für Kommunikation (Bakom) misst die Dauer der relevanten Beiträge, die den Anforderungen an den Service public genügen. Das Bakom sagt also, wann ein Bericht dem Leistungsauftrag angerechnet werden kann. Auf dieser Grundlage rügte das Bakom zuletzt fünf lokale TV-Sender, gegen zwei eröffnete es gar ein Aufsichtsverfahren.
Das sorgte für Kritik, weil die TV-Sender die Kriterien für untauglich halten: Absolvieren die Fussballer der Berner Young Boys ein Auswärtsspiel, kann der konzessionierte Sender aus Bern seine Liveberichterstattung nicht voll als Service public anrechnen lassen.
Fehlende Anreize
Vor diesem Hintergrund befürchtet etwa der Kanton Thurgau, dass die heutige Medienvielfalt verloren geht. Der Thurgau würde gemäss Bundesrat neu dem überregionalen Versorgungsgebiet St. Gallen (Ostschweiz) zugeschlagen. Damit besteht die Gefahr, dass Radiohörende beispielsweise Informationen des Schaffhauser Privatradios Munot verlieren, welches Teile des Thurgaus mit Lokalnews versorgt.
Praktisch alle Kantone bemängeln, dass die Anreize für grenzüberschreitende Berichte wegfallen. Für Telesuisse, den Verband der lokalen TV-Anbieter, ist das lebensfremd. Bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände sagen, dass mehrere Konzessionen in Grossregionen wie Zürich, Bern oder Basel die Medienvielfalt und die Investitionsbereitschaft förderten. Gebe es aber bloss noch eine Konzession pro Gebiet, bewirke dies das Gegenteil.
Bakom plant weiter
Schliesslich verlangen Parteien und Kantone, dass die Neuordnung nicht vor der Volksabstimmung vom 13. Februar über ein neues Massnahmenpaket zugunsten der Medien geplant werden soll. Die Kostenfolgen seien wegen des unklaren Abstimmungsausgangs nicht abzuschätzen.
Kritisch äussern sich auch der Gewerkschaftsbund und das Syndikat Schweizer Medienschaffender. Sie erwarten, dass zu wenig Geld für gute Ausbildung von Lokaljournalisten und -journalistinnen vorhanden sei. Der Bundesrat gefährde mit dieser Verordnung zudem zahlreiche Stellen in der Medienbranche. Die Branchenverbände von Privatradio und -fernsehen lehnen die Verordnung einhellig ab.
Wie es nun genau weitergeht, scheint offen. Ein Bakom-Sprecher sagt auf Anfrage nur, der Bundesrat habe Anzahl und Ausdehnung der Versorgungsgebiete für Lokalradios und Regionalfernsehen regelmässig zu überprüfen. Die Stellungnahmen würden nun analysiert und das weitere Vorgehen vorbereitet.
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