Kolumne «Miniatur des Alltags»Der zitternde Zwerg
Für die einen ist die Fasnachtszeit die schönste Zeit im Jahr – andere verbinden damit eher unliebsame Erinnerungen.
Auf die Gefahr hin, mich hier unbeliebt zu machen: Ich bin keine Fasnächtlerin. Nicht, dass ich meinen angefressenen Mitmenschen «die schönste Zeit des Jahres» nicht gönnen würde. Ich mache einfach lieber andere schöne Sachen.
Nun ist es aber so, dass mein Mann mit Fasnacht tolle Kindheitserinnerungen verbindet. Und solche sollten sich auch seine Kinder schaffen können. Also nahmen wir im Verlauf der Jahre immer mal wieder einen Anlauf und warfen uns ins Karnevalsgetümmel.
Der erste Versuch scheiterte am Timing: Als die älteste Tochter endlich hübsch frisiert und fantasievoll gekleidet beim Treffpunkt stand, war sie allein auf weiter Flur. Wir hatten uns im Datum geirrt.
Der nächste Anlauf fand mit den jüngeren Kindern statt. Das bunte Treiben machte ihnen so lange Spass, bis eine fehlgeleitete Hexe sie äusserst hartnäckig mit dem Besen verfolgte. Danach war Fasnacht für sie so gegessen wie die Schenkeli nach dem Zvieri.
Doch Aufgeben gehört nicht zum Repertoire des Gatten, und so standen wir einige Jahre später mit der Kleinsten, die in Zwergenkostüm, weisser Perücke und Rauschebart steckte, auf dem Schulhausplatz. Dort warteten wir mit dem vor Aufregung zappelnden Bartli auf die Wagen, welche den Umzug anführen sollten.
Schon von weitem war die Begleitmusik zu hören: Ein dumpfes Stampfen und Grollen, das den Boden vibrieren liess. Kurz darauf tauchte die erste Gruppe auf – in Tierfelle gekleidete Gestalten mit grausigen, blutüberströmten Fratzen und Hörnern auf dem Kopf.
Da sah ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Ein kleiner Zwerg mit Bart bis zu den Knien rannte in rasendem Tempo quer über den Platz davon. Als ich das Zwergli endlich eingeholt hatte, zitterte es am ganzen Körper wie Espenlaub.
Seither beschränken wir uns während «der schönsten Zeit im Jahr» aufs Fasnachtschüechliessen.
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