WintersportAuf der Bettmeralp gibt es keine Schneesorgen
Tolle Pisten, urchige Walliser Traditionen, kein Auto weit und breit: Wer einmal in der Aletsch-Arena Ski fahren war, kommt immer wieder zurück.
- Die Aletsch-Arena zieht jährlich viele Stammgäste für Winterferien an.
- Das Skigebiet bietet 104 Pistenkilometer mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden.
- Beim Besuch vor Ort hat sich die Autorin auf die Suche nach dem Zauber gemacht, der die Bettmeralp ausmacht.
Der Schnee knuspert und knurrt und knarzt. Der Wind peitscht mir ins Gesicht, und für einen Augenblick ist es, als würde ich fliegen. Ich gehe in die Knie und drücke meine Ellbogen fest in die Seite, spüre, wie mich der Berg in die Tiefe reisst, schneller und schneller. Eine Schanze.
Ich hebe vom Boden ab. Nur eine Millisekunde, aber es fühlt sich an wie eine kleine Ewigkeit im freien Fall. Das Blut rauscht in den Ohren. Ich lege mein Gewicht auf das linke Bein, mache eine scharfe Wendung und komme abrupt zum Stehen. Wenige Meter vor mir der Sessellift. Musik. Stimmen. Das ferne Brummen einer Gondelbahn. Ich fühle nach dem Skipass in der Brusttasche und reihe mich in die Schlange ein.
Den Gletscher im Rücken
Von der Riederfurka im Westen über das Bettmerhorn auf 2647 Metern über Meer bis hin zur Fiescheralp im Osten erstrecken sich 104 Pistenkilometer. Im Rücken: der 20 Kilometer lange Aletschgletscher. Das ist das Skigebiet Aletsch-Arena.
Die Pisten, zusammen mit den Langlaufloipen, Winterwanderwegen und Schneeschuhtrails, haben im Winter 2023/24 über eine halbe Million Übernachtungsgäste angezogen. Ein grosser Teil von ihnen sind Stammgäste. Denn: Wer einmal in der Aletsch-Arena Gast war, kommt immer wieder zurück.
Mich interessiert natürlich, was den Zauber der Aletsch-Arena ausmacht. Ist es der ewige Schnee? Er liegt hier oben noch, wenn im Tal unten schon längst der Frühling eingekehrt ist. Oder ist es die Tatsache, dass die Piste direkt vor der Haustür vorbeiführt? Die Aletsch-Arena ist auf familienfreundliche Winterferien ausgerichtet, von Kinderskischulen bis zu Anfängerpisten für die ganz Kleinen. Dazu kommen mehrere Snowparks für Freestyler sowie eine Vielfalt an blauen, roten und schwarzen Pisten.
Auf der Bettmeralper Hauptstrasse herrscht in den Wintermonaten viel Verkehr. Aber es sind nicht Autos, die hier dreispurig aneinander vorbeisausen, sondern Ski, Snowboards und Schulkinder auf Ski-Scootern. Hier oben ist der Schneesport nicht nur Hobby, sondern eine Art zu leben.
Ich stelle die Frage Hans und Bernadette Eyholzer. Sie sind zwei wahre Aletscher Urgesteine. Seit fast 60 Jahren führen sie das Ferienhaus Alpenheim im Bettmeralper Dorfzentrum, jene Ferienwohnung, in der auch meine Grosseltern während 37 Jahren immer wieder zu Gast gewesen waren. Ja, auch meine Familie war der Region verfallen.
«Wir beherbergen fast nur Stammgäste», sagt Bernadette Eyholzer. Zum Beispiel die Frau, die jedes Jahr wiederkommt und deren Lieblingspfanne Bernadette bei sich im Schrank aufbewahrt, um sie ihr beim nächsten Besuch wieder in die Küche zu legen. Eine andere Familie kommt seit 50 Jahren, inzwischen in der vierten Generation. «Es ist etwas Besonderes, mitzuerleben, wie die Kinder gross werden und plötzlich ihre eigenen Familien mitbringen.»
Kraftakt oder Paradies?
Es ist schwer, die Bettmeralp nicht mit Kinderaugen zu betrachten: dieses übernatürliche Weiss, das ganze Dorf ein Puderzuckerort. Schnee, der über Nacht nicht schmilzt und der so tief ist, dass man ganz in ihm versinken kann. Der Schnee fällt auf der Bettmeralp oft schon im Oktober – und bleibt bis in den Mai hinein. Natürlich, räumt Bernadette Eyholzer ein, gut fürs Geschäft ist er. Die Gäste lieben die lange Schneesportsaison.
Aber wer dort wohnt, wo andere Ferien verbringen, spürt die Arbeit, die der Schnee verursacht, bis tief in die Knochen. Denn Schnee muss geschaufelt und geräumt werden, jeden Tag. «Wenn ich im März ins Tal hinunterfahre, bin ich wie ein Eskimo gekleidet!», sagt Bernadette. «Dabei ist unten schon Frühling.»
In den 70er-Jahren kam der Skitourismus richtig ins Rollen, in vielerlei Hinsicht ein Segen für die Bewohner und Bewohnerinnen der Bettmeralp. Hans Eyholzers Grossvater hatte noch Zementsäcke zu Fuss vom Tal auf die Riederalp getragen, um den Bau der Villa Cassel zu unterstützen. 50 Rappen bekam er dafür.
Hans’ Mutter und seine Schwestern sammelten und trockneten Kräuter, die sie im Coop gegen Reis und Teigwaren tauschten. «Wir konnten uns in einen Wohlstand einleben», sagt Eyholzer. Dafür ist er dankbar. Nur das Schneeschaufeln, das nimmt einem niemand ab.
Weiss, so weit das Auge reicht
Die Aletsch-Arena hat zwei Gesichter. Da ist das Paradies. Blauer Himmel, weisse Berge. Der Schnee wie eine kristallene Decke über den Hängen. Das andere Gesicht ist weiss. Der Himmel, die Berge, alles verschmilzt konturenlos ineinander. Es ist das zweite Gesicht, das mich später an diesem Tag oben am Bettmerhorn begrüsst.
Der Gletscher hinter mir liegt unter den Schneemassen verborgen. Ich spüre, dass der Boden unter den Ski hart gefroren ist. Rote Pisten führen den Hang hinab, und ich muss dem Drang widerstehen, die Augen bei der Abfahrt zuzukneifen.
Ich werde schneller und schneller, falle mehr, als dass ich fliege. Dicke Flocken nisten sich in den Falten meines Schals ein. Ich halte mich links ran, folge mehr meinem Instinkt als den verschneiten Wegweisern. Dann sehe ich die dunklen Holzwände einer Hütte aus dem Schnee ragen.
Die Bättmerhitta beim Wurzenbord ist eine der wichtigsten Anlaufstellen für müde Wanderer, Jäger auf der Pirsch und halb erfrorene Skifahrerinnen wie mich. Sie befindet sich unmittelbar an der Piste auf dem Weg zurück ins Dorf und lockt mit Käseschnitten, Spätzli und hausgemachten Cremeschnitten. Ein offener Kamin steht am Ende des Raums, es riecht nach Glut und feuchten Halstüchern und … nun ja – Käseschnitten eben.
Die Bättmerhitta steht hier schon seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Über die Jahre wechselte sie mehrfach die Besitzer und mit ihnen den Namen. Seit 2010 gehört sie den Aletsch-Bahnen und wird von Stefan Eyholzer, einem jungen Verwandten von Hans Eyholzer, geführt.
Ich stelle auch ihm die Frage, die mich umtreibt: Was macht diesen Ort so besonders? Aber Eyholzer kommt nicht zum Antworten. Ein paar ältere Männer einen Tisch weiter haben soeben ihr Mittagessen beendet und wollen wissen, ob sie Eyholzers Bratwürste auch kaufen können. «Das Fleisch kommt von meinem eigenen Hof», erklärt er. «Wir haben darum nur, solange der Vorrat reicht.»
Ich bleibe mit meiner Cremeschnitte sitzen. Eyholzer hat das Rezept selber erfunden. Knuspriger Blätterteig, zwischen dem die dicke Vanillecreme hervorquillt, sobald man mit der Gabel reinsticht. An Spitzentagen verkauft Eyholzer mehr als 150. «Das Besondere an diesem Ort», wiederholt er meine Frage nachdenklich, als er aus der Küche zurückkehrt: «Ich sehe hier fast nur Menschen, die ich kenne. Von vielen weiss ich nicht einmal den Namen, aber ich erkenne sie wieder. Sie sind nicht nur Gäste, sondern irgendwie auch Freunde.»
Eine zeitlose Magie
Die Bettmeralp hat sich ihre Urtümlichkeit bewahrt und trägt sie nicht nur im Verborgenen, sondern offen nach aussen. Mein Zimmer im Hotel Waldhaus ist ein Neubau und ganz aus Kirschbaumholz gezimmert. Es fügt sich perfekt zum hundertjährigen Altbau des Hotels, dem urigen Kaminzimmer im Erdgeschoss und dem Geruch von Fondue aus der Küche.
Eine grosse Fensterfront macht den Blick frei auf das Alpenpanorama. Hier kann man mit einem Glas Wein dem Schneetreiben zusehen oder Sternschnuppen beobachten, während die Winterkälte ganz draussen bleibt.
Und das ist auch die einfache Antwort auf meine Frage. Der Zauber liegt in der Weite der Landschaft, im Panoramablick von den Berner Alpen bis zum Matterhorn. Und im Gefühl, als wäre man in der Zeit zurückgereist. Und es bleibt auch die Gewissheit, dass ich von hier weggehen werde – aber nur, um wie der Schnee im nächsten Jahr wiederzukommen.
Die Reportage wurde unterstützt von der Aletsch Arena AG.
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