Vorentscheidung nach der WahlDer Weg in Deutschland führt Richtung Ampel
Grüne und FDP nehmen mit der SPD Gespräche über eine gemeinsame Regierung auf. CSU-Chef Markus Söder nutzte die Gelegenheit erneut, um CDU-Chef Armin Laschet zu schwächen.
Die Grünen und die Liberalen gehen weiter in bemerkenswertem Gleichschritt Richtung Regierung. Erst erklärten Annalena Baerbock und Robert Habeck, warum sie der FDP gemeinsame Gespräche mit dem Wahlsieger SPD vorschlügen, kurz darauf nahm Christian Lindner den Vorschlag an und sagte, die erste Dreiersitzung würde bereits am Donnerstag stattfinden.
Der Vorentscheid der Grünen für eine sogenannte Ampel-Koalition unter einem Kanzler Olaf Scholz war weithin erwartet worden, da sie der SPD in vielen Themen erheblich näherstehen als CDU/CSU. Bei der FDP ist es eigentlich umgekehrt. Lindner wiederholte am Mittwoch denn auch, dass seine Partei mehr «inhaltliche Überschneidungen» mit der Union aufweise als mit der SPD. Dennoch werde man jetzt als Erstes mit dem Wahlsieger über die Möglichkeiten einer gemeinsamen Regierung sprechen. Bei der Union hätten zuletzt «Regierungswille und Geschlossenheit» infrage gestanden. Scholz wiederum freute sich über die Entscheidung von Grünen und FDP: «Morgen gehts dann los.»
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Nach der Bundestagswahl vor zehn Tagen waren rechnerisch Regierungen aus SPD, Grünen und FDP (Ampel), aus CDU/CSU, FDP und Grünen (Jamaika) sowie eine von der SPD geführte Grosse Koalition mit der Union möglich. In der Öffentlichkeit stand die Ampel schon sehr bald im Vordergrund. SPD und Grüne argumentierten, nur mit ihr würden am Ende wirklich die Gewinner dieser Wahl regieren – die Union war um fast 9 Prozentpunkte abgestürzt, während die SPD um 5 Punkte, die Grünen sogar um 6 Punkte zugelegt hatten. Umfragen ergaben zudem, dass sich die Deutschen den Sozialdemokraten Scholz viel lieber als Kanzler wünschten als Armin Laschet von der Union.
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Dennoch dürfte der Weg über Sondierungen und formelle Koalitionsverhandlungen bis hin zu einer Ampel-Regierung sehr lang und schwierig werden. Politisch sind die Unterschiede zwischen der FDP und dem linken Block aus SPD und Grünen in vielen Feldern enorm. In Berlin erwartet man eine neue Regierung jedenfalls frühestens vor Weihnachten – und auch nur, falls die Ampel-Gespräche nicht scheitern.
Habeck und Lindner betonten am Mittwoch denn auch, dass die Aufnahme von Gesprächen mit der SPD keine «Komplettabsage» an die Union bedeuteten. Beide möchten die Jamaika-Option strategisch offenhalten, um in den Verhandlungen Druck auf die SPD ausüben zu können. Allerdings, so Lindner, werde es keine Parallelgespräche geben. Laschet sagte, er sei für weitere Sondierungen mit Grünen und FDP nach wie vor offen.
CSU-Chef Markus Söder hingegen wertete die Weichenstellung von Grünen und FDP als «klare Vorentscheidung» und «De-facto-Absage an Jamaika». Die Union bedaure das, werde jetzt aber nicht in einer Art «Dauer-Lauer-Stellung» verharren oder als «Ersatzrad» dienen, wann immer es in den Ampel-Gesprächen schwierig werde. CDU und CSU müssten der Wahrheit ins Auge blicken und den Gang in die Opposition vorbereiten.
Wie immer, wenn Söder sich zuletzt äusserte, schwächte er mit seiner Aussage gezielt die Position von Laschet, seinem früheren Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur. Der CDU-Chef benötigt eine mindestens vage Aussicht auf das Kanzleramt, um sich überhaupt noch einige Tage oder Wochen im Amt zu halten. Viele Söder-Anhänger in der CDU und verschiedene Anwärter auf Laschets Nachfolge suchen hinter dessen Rücken längst Verbündete für einen Neuanfang in der Partei.
Söders Interesse wiederum ist vor allem darauf ausgerichtet, in den nächsten Jahren den Ton in der Union anzugeben. Er muss Laschet nicht selbst stürzen, das übernehmen dessen Rivalen in der CDU schon selbst. Und für den Fall, dass die Ampel-Verhandlungen scheitern und Jamaika wieder ins Spiel kommen sollte, stünde er als möglicher Verhandlungsführer und Kanzler anstelle von Laschet durchaus bereit. Dagegen würde es zwar Widerstände in der CDU und noch grössere bei den Grünen geben, aber einen Versuch wäre es dem bayerischen Ministerpräsidenten vielleicht wert.
In den Umfragen sind die Meinungen über die Ampel und Jamaika, über Scholz und Laschet jedenfalls gemacht. Laut einer neuen Erhebung der TV-Sender RTL und n-TV raten drei von vier Deutschen der Union, nach 16 Jahren Regierung nun in die Opposition zu gehen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich eine Ampel-Koalition unter Kanzler Scholz. Ein Jamaika-Bündnis hingegen unterstützt nur jeder Fünfte – selbst unter Unionswählerinnen und -wählern ist es nur jeder Zweite.
80 Prozent empfehlen Laschet, den Parteivorsitz niederzulegen, selbst 70 Prozent der Unionswähler wünschen dies. Sollte es doch noch zu Jamaika kommen, wollen zwei von drei Befragten Söder als Regierungschef sehen – und nur 15 Prozent Laschet.
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