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Heinz Karrer verlässt Economiesuisse
Vom Stabilisator zum Abstimmungsverlierer

Heinz Karrer, Economiesuisse-Präsident, Mitte März in Münsingen.
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Der Lückenbüsser

Heinz Karrer hat Economiesuisse in schwieriger Zeit stabilisiert. Politik und Wirtschaft hatten sich unter seinen Vorgängern völlig auseinandergelebt – auch eine Folge der Globalisierung in den Chefetagen und des Mangels an Unternehmern in der Politik. Vor ihm fand die Wirtschaft nur noch mit Mühe eine Persönlichkeit, welche das Präsidium überhaupt übernehmen wollte. Zudem hatte Economiesuisse gerade erst die Abstimmung über die Abzockerinitiative verloren. Der einst unbesiegbare Verband war sichtbar angeschlagen. Karrer sprang im Herbst 2013 vom Vorstandsmitglied in die Lücke an der Spitze. Es heisst, man habe ihn auch ein wenig schubsen müssen. Anmerken liess er sich das nie.

Der Stabilisator

Karrer sorgte zuerst für Ruhe und neue Zuversicht im Verband. Er überarbeitete die internen Prozesse, nach denen Meinungen gebildet und vertreten werden. Der Marketingfachmann Karrer tat es dabei so, wie es Marketingleute immer tun: Sie denken schon am Anfang an den Verkauf, der am Ende des Prozesses steht. Dass es in der Politik manchmal darum geht, Koalitionen über politische Gräben hinweg zu schmieden, um ein Projekt des politischen Gegners zu verhindern, oder darum, jemand anders eine eigene Idee verkaufen zu lassen, das spielte keine Rolle. Lobbying weit vor einer möglichen Abstimmung blieb zweitrangig. Es erstaunt deshalb nicht, dass Karrer bei seinem Amtsantritt etwas nicht anpackte: die Niederlage bei der Abzockerinitiative schonungslos zu analysieren und wieder mehr auf Lobbying zu setzen.

Der Personalpolitiker

Nicht nur das Präsidium musste 2013 neu besetzt werden. Der damalige Direktor wollte ebenfalls nicht weitermachen. Karrer holte als neue Direktorin Monika Rühl aus dem Vorzimmer von Bundesrat Johann Schneider-Ammann (FDP). Sie blieb zwar blass, aber stets loyal gegenüber Karrer und dem Vorstandsausschuss. Die der FDP nahestehende Frau schaffte es allerdings kaum, Allianzen mit CVP und SVP zu schmieden.

Der Verwalter des Niedergangs

Schon vor Heinz Karrer hatte Economiesuisse dramatisch an Einfluss verloren. Die vor zwanzig Jahren aus der Fusion der Kampagnenmaschine «Wirtschaftsförderung» und dem Lobbyverband «Vorort» entstandene Economiesuisse liess ausgerechnet das Lobbying verkümmern und wurde zu einem reinen Kampagnenverband. Bei der politischen Einflussnahme kam Economiesuisse auch unter Karrer meistens zu spät, nämlich dann, wenn ein Geschäft bereits in die Vernehmlassung ging. So lange dauerte die verbandsinterne Meinungsbildung, und manchmal noch länger wie beispielsweise bei der Revision des Aktienrechts. Der «Vorort» hatte seinen Einfluss viel früher und damit effektiver geltend gemacht. Je mehr Economiesuisse als Kampagnenorganisation wahrgenommen wurde, desto unglaubwürdiger wurde sie als Lobbyistin für die Wirtschaft. Karrer spielte intern lieber den Moderator als den Präsidenten. Heute ist Economiesuisse in Bern eine Stimme unter vielen.

Plakatsäule für andere

Eigentlich will Economiesuisse viel mehr als eine Kampfmaschine sein. Nur merkt das heute niemand. Und daran ist Heinz Karrer mitschuldig. Gemäss den Statuten ist sie ein Dachverband, der übergeordnete wirtschaftspolitische Prinzipien vertritt. Das würde bedeuten, dass der Präsident nicht nur die manchmal sehr unterschiedlichen Interessen der Mitglieder und ihrer Firmen abholt und so gut wie möglich vereint, sondern die übergeordneten Ziele auch einmal gegen diese Interessen durchsetzt. Zu dieser Rolle als Präsident eines Dachverbandes fehlten ihm jedoch nach Ansicht mancher Kritiker die Prinzipien und womöglich auch die Autorität. Genannt wird hier beispielsweise die Energiestrategie, bei der Karrer eine vorbereitete Gegenkampagne über Nacht eingestampft habe, weil sie Bundesrätin Doris Leuthards Freund und Vorstandsmitglied Hansueli Loosli nicht gepasst habe. In der EU-Politik wiederum habe Karrer auf Druck der Pharmaindustrie zugelassen, dass Economiesuisse das institutionelle Rahmenabkommen unterstütze.

Der Diener seiner Herren

Wie sich Heinz Karrer den Interessen im Vorstand beugt, wird 2016 offensichtlich: Heinz Karrer fordert bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative mehrfach öffentlich eine Schutzklausel, also eine Bestimmung im Ausländergesetz, dass der Bundesrat unter bestimmten Bedingungen Höchstzahlen für die Zuwanderung und Kontingente verhängen könne – so wie es im Initiativtext steht und wie es beispielsweise die CVP fordert. Karrer will diese sogar einseitig, also ohne Einverständnis von Brüssel, einführen. Darauf wird er vom Vorstandsausschuss, wo die mächtigen Beitragszahler des Verbandes (die Pharma, Banken, Versicherungen und die Exportindustrie) sitzen, zurückgepfiffen. Der Verkäufer ist zu weit gegangen. Er überspielt die Niederlage elegant.

Der Abstimmungsverlierer

Mangels wirksamen Lobbyings in der Verwaltung und im Parlament blieb Economiesuisse oft nur die Kampagne an der Urne. Und das musste früher oder später einmal schiefgehen. Nach der Niederlage bei der Abzockerinitiative verlor Karrer 2014 auch noch die Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative und 2017 die Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform. Auch wenn Karrer nur zwei von 19 Abstimmungen verlor, es waren die beiden wichtigsten. Seither zittert niemand mehr davor, gegen Economiesuisse anzutreten. Angesichts veränderter Mehrheiten im Parlament wäre es vielmehr nötig, referendumsfähig zu werden. Doch dies zu versuchen, davor fürchtet man sich im Wirtschaftsverband. Heinz Karrer tritt unmittelbar vor den nächsten beiden wichtigen Abstimmungen ab, jener über die Begrenzungsinitiative der SVP im September und jener über die Konzernverantwortungsinitiative, die voraussichtlich im November stattfindet.

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