Biden versetzt AustralienDer US-Präsident verkürzt seine Reise – wegen drohender Staatspleite
Joe Biden sagt seine Besuche in Australien und Papua-Neuguinea ab und kehrt früher als geplant nach Washington zurück. Er muss sich dringend mit den Republikanern darüber einigen, ob und wie die US-Schuldengrenze angehoben wird.
An diesem Mittwoch wird Joe Biden die Air Force One besteigen und nach Alaska fliegen, quer über das gefährlich zerstrittene Amerika. Danach geht es von Anchorage aus über den Pazifik. Ankunft am Donnerstag in Hiroshima, wo die USA vor 78 Jahren aus einem Flugzeug namens Enola Gay eine Atombombe abgeworfen und geschätzt 140’000 Menschen getötet haben. Der heutige US-Präsident war damals gut zweieinhalb Jahre alt, jetzt ist er gut 80.
In der japanischen Stadt steht ein Treffen mit Japans Premier Fumio Kishida an und zwei Tage lang der G-7-Gipfel, an dem unter anderen auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron teilnehmen. Der Termin ist bedeutend genug, es geht ausser um den Krieg in der Ukraine nicht zuletzt um das angespannte Verhältnis zu China. Anschliessend wollte Biden weiterreisen nach Australien und sogar Papua-Neuguinea, ein aussergewöhnlich ausgedehnter Trip, eine Woche lang. Doch aus letzteren Programmpunkten wird nichts.
Anfang kommenden Monats wäre nach Yellens Kalkulation Schluss.
Am Dienstag sagte das Weisse Haus die geplanten Besuche in Sydney und Port Moresby ab. Biden wird am Sonntag nach Washington zurückkehren, weil hier doch noch mehr zu tun ist als ohnehin befürchtet. Der Demokrat und oberste Amerikaner muss sich dringend mit leitenden Republikanern darüber einigen, ob und wie die berüchtigte US-Schuldengrenze angehoben wird. Sonst könnte in Kürze etwas passieren, was es noch nie gab und sich niemand wirklich vorstellen möchte: eine amerikanische Staatspleite.
Am 1. Juni wäre es unter Umständen so weit. Dann könnte Finanzministerin Janet Yellen unter den aktuellen Bedingungen das Geld ausgehen, um die Rechnungen zu zahlen. Das mächtigste Land der Erde wäre erstmals in seiner Geschichte formell bankrott. Aber nur deshalb, weil die Nation derzeit laut eigenem Reglement nicht mehr als 31,4 Billionen Dollar an Verbindlichkeiten aufnehmen darf. Dieses Limit wurde am 19. Januar erreicht. Schatzmeisterin Yellen bemüht seither allerlei Manöver, um dennoch liquide zu bleiben, Anfang kommenden Monats wäre nach ihrer Kalkulation Schluss.
Am Dienstag warnte Janet Yellen in einem weiteren Appell vor einer «wirtschaftlichen und finanziellen Katastrophe», der Showdown belaste jetzt schon die Finanzmärkte und Haushalte. Ökonomen malen Horrorszenarien von Rezession und einer Menge verlorener Jobs, ein «default» würde ausser den USA auch weite Teile der restlichen Welt in eine Wirtschaftskrise stürzen. Doch Demokraten und Republikaner streiten weiter. Es ist ein Ritual, das sich seit Jahrzehnten wiederholt, unter Regierungen beider Couleur. Doch so bedrohlich war der traditionsreiche Wettkampf vielleicht noch nie.
Einer Erhöhung der Schuldengrenze muss im Prinzip der Kongress zustimmen. Der Senat wird von Bidens Demokraten beherrscht, da gibt es kein Problem. Im Repräsentantenhaus dagegen haben nach den US-Zwischenwahlen im November 2022 die Republikaner das Kommando übernommen, und zwar mit einer radikalen Riege. Die treibt das Duell auf die Spitze. Ihre Anführer verlangen Sparmassnahmen, über die Biden in diesem Zusammenhang eigentlich nicht verhandeln will. Denn das Schuldenlimit, obwohl natürlich astronomisch hoch, wurde unter seinen Vorgängern immer und immer wieder angehoben, auch unter Donald Trump.
Biden sprach von einem «weiteren guten, produktiven Treffen» auf dem Weg, einen Schuldenausfall zu verhindern.
Es ist ein Nervenspiel, ein Poker. Beide Seiten wollen sich keine Blösse geben, der Wahlkampf für 2024 hat begonnen. Ein Finanzdesaster mit unabsehbaren Folgen würde dem Kandidaten Biden sehr schaden, aber seinen rechten Gegnern vermutlich ebenso, denn die haben den Krimi dieser Art angezettelt. Am Dienstag traf sich der Präsident erneut mit dem republikanischen Wortführer Kevin McCarthy, Sprecher im Abgeordnetenhaus, und Mitch McConnell, Minderheitsführer im Senat, sowie den demokratischen Kollegen Hakeem Jeffries und Chuck Schumer.
Nachher war von Fortschritten die Rede, aber von keiner Einigung. McCarthy kann sich einen Durchbruch bis zum Wochenende vorstellen. Gastgeber Biden sprach von einem «weiteren guten, produktiven Treffen» auf dem Weg, einen Schuldenausfall zu verhindern. Ein «defaulting» könne keine Option sein, Meinungsverschiedenheiten zwischen Parteien seien keine Entschuldigung. Dennoch gab er anschliessend offiziell bekannt, dass er den australischen Teil und den Stopp in Papua-Neuguinea verschiebe.
Biden will den Besuch nachholen
In Papua-Neuguinea hatte überhaupt noch nie ein amtierender US-Präsident vorbeigeschaut. Australiens Premier Anthony Albanese missfällt die Planänderung erst recht, weil er daraufhin obendrein den Quad Summit mit Australien, den USA, Japan und Indien canceln musste. Das hätte ein weltpolitischer Grossauftritt im Opernhaus von Sydney werden sollen. Biden habe ihm versprochen, den Besuch bei nächster Gelegenheit nachzuholen, so Albanese. Der US-Präsident stosse «in den Verhandlungen mit dem US-Kongress über die Schuldenobergrenze der US-Regierung auf Schwierigkeiten».
So würde es Joe Biden nicht formulieren, aber nun ist auch in Asien und Ozeanien bekannt, was in den USA auf dem Spiel steht. Auf den Weg nach Japan macht er sich dennoch: Es liege in der Natur der Präsidentschaft, «sich mit vielen kritischen Angelegenheiten gleichzeitig zu befassen», erläutert der Präsident und Multitasker. Die Gespräche daheim gingen derweil weiter, Mitarbeiter würden täglich tagen.
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