Trumps Reden zum Nationalfeiertag Der unversöhnliche Präsident
In seinen Reden zum amerikanischen Unabhängigkeitstag attackierte Donald Trump seine Gegner in einer Schärfe, die selbst für seine Verhältnisse überraschend war. Das Coronavirus spielte er erneut herunter.
Es war ein 4. Juli wie keiner zuvor, zumindest in jenen Gegenden der USA, die vom Coronavirus am stärksten betroffen sind, in Florida und Texas zum Beispiel. Die Strände: gesperrt. Die Bars: geschlossen. Die Feuerwerke: verboten. Eine sehr gedämpfte Feier also, mit der die Amerikaner inmitten der Pandemie ihren Unabhängigkeitstag begingen.
Alles andere als gedämpft verlief das Wochenende dagegen dort, wo sich Donald Trump aufhielt. Zweimal richtete sich der Präsident mit einer Rede an seine Landsleute, zweimal attackierte er dabei seine Gegner in einer Schärfe, die selbst für seine Verhältnisse überraschend war.
Anti-Rassismus-Bewegung im Visier
Das Ziel von Trumps Angriffen war die Anti-Rassismus-Bewegung, die nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd das Land erfasst hat. Was mit Rufen nach einem Ende von Polizeigewalt gegen Schwarze begann, hat sich zu einer breiten Debatte über den Umgang mit dem amerikanischen Erbe von Sklaverei und Segregation entwickelt. Trump sieht darin jedoch etwas ganz anderes, wie er bei einem Auftritt am Samstagabend vor dem Weissen Haus klar machte: eine Bewegung, die es niederzuschlagen gilt. «Wir sind daran, die radikalen Linken, Marxisten, Anarchisten, Agitatoren und Plünderer zu besiegen», sagte er.
Der Präsident kritisierte die Demonstranten, die vielerorts Statuen beschädigt oder abgerissen haben. An einigen Orten waren darunter auch Standbilder von früheren US-Präsidenten, etwa von George Washington, einem der Gründerväter der Republik, der selbst Sklaven besass. Meistens handelt es sich dabei allerdings um Denkmäler zum Gedenken an die Konföderation, die im US-Bürgerkrieg für den Erhalt der Sklaverei in den Südstaaten gekämpft hatte – und die auch in konservativen Kreisen zunehmend umstritten sind.
In Trumps Darstellung wird aus der Entfernung dieser Statuen aber ein ganz grundsätzlicher Angriff auf das Wesen Amerikas. Die USA befinden sich laut Trump in einem Kulturkampf, in dem sich entscheide, ob sie ein freies Land blieben – oder in den «Totalitarismus» abdrifteten. Bereits am Vorabend des 4. Juli hatte er im Nationalpark Mount Rushmore in South Dakota über «linksradikale Faschisten» gesprochen, die zum Ziel hätten, eine «Welle der Gewalt in unseren Städten loszutreten».
Gibt es die «schweigende Mehrheit»?
All dies waren nicht Worte, wie sie andere Präsidenten gewöhnlich am Nationalfeiertag von sich geben – aber es sind ja auch keine gewöhnlichen Zeiten. Trump befindet sich im Wahlkampf, und seit Beginn der Pandemie ist er in den Umfragen zunehmend hinter seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden zurückgefallen. Der US-Präsident behauptet regelmässig, im Namen einer «schweigenden Mehrheit» der Amerikaner zu sprechen, welche die Anti-Rassismus-Proteste verurteile.
Ob es diese Mehrheit tatsächlich gibt, ist fraglich. In den Umfragen sprachen sich zuletzt rund zwei Drittel der Amerikaner für die Proteste aus. Selbst in Gegenden, in denen nur wenig Afroamerikaner leben, fanden in den vergangenen Wochen Demonstrationen statt, an der sich oft auch viele weisse Amerikaner beteiligten. In republikanischen Kreisen stieg deshalb zuletzt die Sorge darüber, dass Trump mit seinem Ton an den Amerikanern vorbei politisiere.
Trump sieht das offensichtlich anders, und zumindest in konservativen Medien kamen seine Auftritte gut an. «Trump verteidigt die Geschichte», war am Samstag auf der Website von Fox News zu lesen. Im Studio lobte ein Kommentator den «grossen patriotischen Abend», den der Präsident da im Weissen Haus veranstalte. Er meinte damit nicht nur die Rede, sondern auch die Luftparade von Militärflugzeugen, die der Präsident am Samstag in Washington bestellt hatte. Ausgesprochen negativ fielen dagegen die Reaktionen in linksliberalen Medien aus. Die «New York Times» kritisierte Trumps «übertriebene, apokalyptische Sprache».
Virus erreicht Trumps inneren Zirkel
Ganz anders klang Trump, was die Pandemie betrifft, die in den USA ausser Kontrolle geraten ist. Drei Tage in Folge lag die Zahl der Neuinfektionen laut der Johns-Hopkins-Universität bei über 50’000 – so hoch wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie. Allein in Florida wurden fast 11’500 Neuinfektionen innerhalb eines Tages verzeichnet.
«Unsere Strategie kommt gut voran», sagte Trump dazu. «Wir haben gelernt, die Flammen auszulöschen. Wir haben grosse Fortschritte erzielt.» Er behauptete ausserdem, dass 99 Prozent der gefundenen Fälle «komplett harmlos» seien und machte erneut China für die weltweite Ausbreitung des Virus verantwortlich. «China muss in vollem Umfang zur Rechenschaft gezogen werden», so der Präsident. Die USA hätten nur deshalb so viele Infektionen, weil sie viel mehr Tests durchführten als andere Staaten.
Was er dabei verschwieg: Auch der Anteil der positiven Testergebnisse ist in den USA höher als in fast allen europäischen Ländern, weshalb Experten der Darstellung vehement widersprechen.
Dabei hat das Virus inzwischen auch Trumps inneren Zirkel erreicht. Kurz vor seinem Auftritt in South Dakota wurde Kimberly Guilfoyle, die Freundin seines ältesten Sohns Donald junior, positiv auf das Virus getestet. Die beiden befinden sich nun in Quarantäne.
Bidens Appell
Wie anders Reden zum Independence Day klingen können, zeigte der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden. Er adressierte das Anliegen der Demonstranten in einer Videobotschaft zum Unabhängigkeitstag. «Wir haben die Chance, die Wurzeln des systematischen Rassismus aus diesem Land herauszureissen», sagte er darin.
In einem Meinungsbeitrag für den Sender NBC News schrieb er ausserdem, dass die USA nie ihrem Gründungsprinzip gerecht geworden seien, wonach alle Menschen gleich geschaffen sind. Das «Streben nach einer perfekteren Gemeinschaft» sei in den vergangenen Jahren aus der Bahn geworfen worden sei, so Biden. «Und niemand trägt dafür mehr Verantwortung als Präsident Donald Trump.»
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