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Kopf des Tages: Hans Hess
Der mächtigste Industrielle des Landes tritt ab

«Ich denke, die Talsohle der Maschinenindustrie ist erreicht»: Hans Hess.
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Er verkörpert wie kein Zweiter die Schweizer Industrie. Und wie kaum ein zweiter Arbeitgebervertreter ist Hans Hess fähig, druckreife Sätze zu äussern. Das tönt dann so: «Das Bankgeheimnis gehört abgeschafft». Oder: «20’000 Jobs sind in Gefahr.» Oder zu Daniel Vasellas 72-Millionen-Lohn: «Das ist für mich wirklich stossend, eine klare Entgleisung.»

Nun tritt der Präsident von Swissmem, dem mächtigen Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, auf Ende Jahr ab, weil er das Pensionsalter erreicht. Eine Ära geht zu Ende. Begonnen hatte sie im November 2010, als Hess als Nachfolger des zum Bundesrat ernannten Johann Schneider-Ammann gewählt wurde.

Er nimmt kein Blatt vor den Mund

Kurz darauf musste Hess in die Hosen steigen, denn der starke Franken trieb immer mehr Industriefirmen in den Konkurs oder ins Ausland. Es drohte das Horrorszenario eines 1:1-Wechselkurses des Frankens gegenüber dem Euro. Das hätte die Schweizer Industrie in den Ruin getrieben.

Und was tat Hess? Hinter den Kulissen wirkte er am Verhandlungstisch mit Bundesrat und Nationalbank, um das Horrorszenario abzuwenden. Vor den Kulissen betätigte er sich als Lautsprecher. Da nahm er kein Blatt vor den Mund, warnte vor dem Verlust Zehntausender Arbeitsplätze und schonte auch seinen Vorgänger Schneider-Ammann nicht. Hess prangerte die merkwürdige Passivität des Bundes an, sagte: «Ich habe manchmal das Gefühl, dass der Bundesrat, die Chefbeamten und die Politiker im Bundeshaus meinen Warnungen zwar zuhören, dann aber zur Tagesordnung übergehen.»

Das sass. Kurz danach reagierte die Nationalbank und legte einen Mindestkurs von 1.20 Franken zum Euro fest. Die Industrie war vorerst gerettet, Hess konnte aufatmen.

«Es hat in der Maschinenindustrie heute trotz verschiedener Krisen immer noch ähnlich viele Jobs wie bei meinem Amtsantritt.»

Hans Hess

Als seinen grössten Erfolg kann Hess verbuchen, dass die oft befürchtete Entindustrialisierung der Schweiz nicht eintrat – trotz Finanzkrise, Weltwirtschaftskrise und zweier Frankenschocks. «Es hat in der Maschinenindustrie heute trotz verschiedener Krisen immer noch ähnlich viele Jobs wie bei meinem Amtsantritt», sagt Hess. «Das erfüllt mich mit Stolz.»

Doch Hess musste auch empfindliche Niederlagen einstecken. Etwa, dass es in seinen eigenen Industriefirmen Burckhardt und Comet alles andere als rund lief. Als seine grösste Niederlage bezeichnet er das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative. Doch Hess fackelte nicht lange, zog die Lehren aus der Niederlage und forderte die Arbeitgeber auf, sie müssten mehr Frauen, Ältere und Junge beschäftigen. Hess hatte das als Chef von Leica Geosystems vorgelebt und mitten in die Fabrik eine Kinderkrippe gebaut. Mit Erfolg: Kurz danach fand er 30 neue Mitarbeiterinnen.

Er ist auch in der Corona-Krise optimistisch

Als Sozialpartner war Hess von den Gewerkschaften zuweilen gefürchtet – etwa wenn er mitten in der Frankenkrise mit Lohnabbau drohte. Doch insgesamt achteten sie ihn wegen seiner konzilianten, verbindlichen Art. Genau dafür wurde er einmal von der Gewerkschaft Unia abgestraft: In einem Buch, in dem sie intimste Details aus Vertragsverhandlungen ausbreitete, schilderte sie ihn als zwar unideologische, aber auch schwache Figur. Das traf Hess schwer. Und es war falsch. Doch nachtragend war er nicht, sass bald auch mit der Unia wieder am Verhandlungstisch.

Nun, mitten in der Corona-Krise, tritt Hess zurück. Doch er ist optimistisch, dass die Schweizer Industrie auch diese Krise überleben wird. Er sagt: «Ich denke, die Talsohle der Maschinenindustrie ist erreicht – von jetzt an sollte es aufwärtsgehen.»