Zum Tod des Schlagzeugers Tony AllenDer sitzende Revoluzzer
Brian Eno bezeichnete ihn als den einflussreichsten Schlagzeuger der Musikgeschichte, Damon Albarn sagt, er habe mit ihm das Tanzen erlernt. Der Afrobeat-Miterfinder Tony Allen ist in Paris gestorben.
Rein rechnerisch ist es fast unwahrscheinlich, einen Groove zu erfinden, der nicht schon einmal da gewesen war. Die Möglichkeiten und Varianten, die Zeit zu takten, sind beschränkt. Einer, der es dennoch geschafft hat, einen ureigenen Beat in die Welt zu setzen, hat ebendiese Welt am Donnerstag verlassen. Er hiess Tony Allen, und er hat erst den afrikanischen Kontinent, später das ganze Universum zum Tanzen gebracht.
Wer hats erfunden? Diese Frage wird nicht nur in der Schweiz immer wieder gerne gestellt, auch in Nigeria kennt man diese Form des Verhörs. Doch geht es in Afrika nicht um die Urheberschaft irgendeines Zuckerwerks. Die Frage ist, wer den Afrobeat erfunden hat, diese groovende Kostbarkeit aus dem Afrika der Siebzigerjahre, die bis heute nichts von ihrer Fulminanz eingebüsst hat.
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Die Kandidaten: Fela Anikulapo Kuti, nigerianische Musik-Ikone, Freiheitskämpfer und Urheber von circa 75 stilbildenden Tonwerken. Und Tony Oladipo Allen, der Schlagzeuger und musikalische Direktor von Fela Kuti, der sich 1979 aus Unzufriedenheit mit der finanziellen Beteiligung aus dessen Band verabschiedet hat und danach die erweiterte Popwelt mit seinen Afrobeats versorgte. Allen selbst liess bei der Frage der Urheberschaft stets die Diplomatie walten: «Wir haben uns gegenseitig nötig gehabt. Fela hatte die Idee, eine grundlegend neue Form afrikanischer Musik zu machen, dafür brauchte er Leute, die mitzogen. Ich war einer davon, und ich denke, dass ich ihn mit meiner Art des Schlagzeugspielens auch inspiriert habe», erklärte er mir einst in einem Gespräch.
«Alle drängten ins Rampenlicht, mich reizte es, die Musik aus dem Hintergrund zu prägen.»
Bevor Tony Allen in die Band von Fela Kuti berufen wurde, war der Nigerianer in diversen Highlife-Bands tätig und spielte unter anderem mit Fela in einer Zirkusband in Lagos. 1964 wurde er von Fela Kuti in dessen Highlife-Jazz-Band Kola Lobitos aufgenommen, auf deren 1966 erschienener LP bereits erste Spurenelemente des späteren Afrobeats zu vernehmen sind. Doch erst als Kuti und Allen 1969 von einem längeren Aufenthalt in den USA zurückkehrten und damit begannen, diesem Mix aus Afro und Jazz die Sexyness des Funks beizumengen, war der Stil geboren, mit welchem die beiden zuerst den afrikanischen Kontinent und bald darauf die ganze Welt erobern sollten.
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Afrobeat war mehr als eine tanzbare Modeerscheinung. Er war ein kämpferisches Statement gegen die Seuche der Korruption, gegen Machtmissbrauch, Unterdrückung und die Relikte des Kolonialismus. Und während man in den Clubs von London ausgelassen dazu tanzte, arrivierte die Musik auf dem afrikanischen Kontinent zum Soundtrack des Aufstandes – Fela Kuti stand ganze 356 Mal vor Gericht und verbrachte mehrere Jahre im Gefängnis.
Tony Allen war der Taktgeber dieser Revolution. Dabei war gar nicht vorbestimmt, dass er sich einst ans Schlagzeug setzen wollte. «Ich habe auch andere Instrumente ausprobiert, aber das Schlagzeug war mir am nächsten. Ausserdem wollte es niemand anderes spielen. Alle drängten ins Rampenlicht, mich reizte es, die Musik aus dem Hintergrund zu prägen.» Ein Platz, den ihm zeitlebens vorbehalten blieb und den er ganz unaufgeregt mit viel Charisma ausfüllte.
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Allens Spiel war nicht auf Showeffekte bedacht. Seine Bewegungen entsprachen dem Groove, den er kreierte: Alles rollte, nichts wirkte angestrengt, auch wenn seine Beats klangen, als würden hier mindestens drei Schlagzeuger zu Werke gehen. Fela Kuti soll ihn einst gefragt haben: «Wie kann es sein, dass du der einzige Kerl in Nigeria bist, der so spielen kann – Jazz und Highlife in einem?»
Brian Eno bezeichnete ihn als einen der einflussreichsten Schlagzeuger der Musikgeschichte, Damon Albarn sagte, er habe mit Tony Allen das Tanzen erlernt. «Ich habe am Anfang gespielt wie alle anderen auch», sagte Allen. «Doch ich hatte schon früh die Ambition, nach einem Ausdruck zu suchen, mit dem ich mich von den anderen unterscheiden konnte. Ich spiele heute nicht besser als all die anderen, ich spiele anders. Es ist ein Stil, den ich vor langer Zeit entwickelt und in den Jahren perfektioniert habe.»
Nach dem Ausstieg aus Felas Band veröffentlichte Tony Allen diverse Soloalben, gründete eigene Gruppen und verdingte sich als Gastschlagzeuger in unterschiedlichsten Bands. Doch seine Popularität beschränkte sich auf Nigeria, weshalb er 1984 nach London übersiedelte und sich später in Paris niederliess. Musikalisch setzte eine gewisse Rastlosigkeit ein. Tony Allen spielte mit King Suny Ade, wirkte beim jamaikanischen Reggae-Gitarristen Ernest Ranglin, ging eine nicht sonderlich fruchtbare Kooperation mit dem Techno-Innovator Jeff Mills ein, spielte in der formidablen Afroband des finnischen Elektro-Tunichtguts Jimi Tenor oder in The Good, The Bad & The Queen an der Seite von Blur-Frontmann Damon Albarn. Er könne noch jeden Tag von jüngeren Musikern dazulernen, pflegte Tony Allen seinen Schaffensdrang zu kommentieren, der nicht abzureissen schien. Erst kürzlich ist das formidable Album «Rejoice» erschienen, das Allen zusammen mit dem ebenfalls erst kürzlich verstorbenen Trompeter Hugh Masekela eingespielt hat. Am Donnerstag ist Tony Allen im Alter von 79 Jahren überraschend in einem Pariser Spital gestorben.
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