Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Der Schweiz fehlt die Drohkulisse

Für den Schweizer Chefunterhändler Roberto Balzaretti werden die Verhandlungen mit der EU nicht einfacher. Foto: Olivier Hoslet (EPA)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Wie haben es die Briten nur geschafft, der EU beim umstrittenen Backstop für die irische Insel doch noch Konzessionen abzuringen? Oder war es vielleicht doch am Ende Boris Johnson, der einknickte aus Angst vor dem Abgrund eines ungeordneten Brexit? Der Durchbruch bietet jedenfalls Anschauungsmaterial für die Schweiz hinsichtlich des Rahmenabkommens. Aufschlussreich vielleicht der Auftritt des irischen Premiers, nachdem die EU den Austrittsvertrag mit den Briten abgesegnet hatte.

Aus den Brexit-Verhandlungen habe er zwei Dinge gelernt, sagte Leo Varadkar. Zuerst einmal die Stärke der Einheit: «Wir können viel erreichen, wenn wir zusammenstehen», sagte der irische Premier. Als Regierungschef eines kleinen Landes habe er zudem enorme Solidarität erfahren. Kleine Staaten befürchteten ja manchmal, verschluckt zu werden, wenn sie grossen Organisationen wie der EU beiträten: «Es hat sich gezeigt, dass die EU wirklich eine Gemeinschaft ist, in der kleine Staaten geschützt und respektiert werden.»

Muss die Schweiz härter auftreten?

Es scheint also selbst für kleinere Staaten interessant zu sein, Mitglied im Club zu sein und dort sogar ihre Souveränität besser schützen zu können. Die irische Erfahrung könnte in der Schweiz die Debatte über Souveränität zumindest befruchten. Umgekehrt ist die Einheit, die der irische Premier lobt, eine Problem für die Schweiz bei ihren Verhandlungen mit der EU über das Rahmenabkommen. Bemühungen der Schweiz, die Mitgliedsstaaten auseinanderzudividieren und so Konzessionen herauszuholen, waren nicht erfolgreicher als ähnliche Bemühungen der britischen Regierung.

Immerhin hat die EU dem Drängen der Briten zuletzt nachgegeben, das fertige Austrittsabkommen noch einmal aufgemacht und am Ende sogar den umstrittenen Backstop gestrichen. Das hat die EU ähnlich wie beim Rahmenabkommen mit der Schweiz lange ablehnt. Müsste die Schweizer Regierung sich an Boris Johnson ein Beispiel nehmen und nur härter auftreten, um etwa eine Ausnahme beim Lohnschutz herauszuholen? Leider hat die Schweiz keinen starken Premierminister, sondern sieben Bundesräte, die nicht immer am selben Strick ziehen. Aber auch sonst gibt der scheinbare Erfolg der Briten wenig Anlass zu Hoffnung.

Ohne Rahmenabkommen droht eine schleichende Erosion der bilateralen Beziehung, unter der vor allem die Schweiz leiden dürfte.

Die Ausgangslage ist doch sehr unterschiedlich. Die Briten haben einen Scheidungsvertrag ausverhandelt, während die Schweiz überlegt, sich stärker zu binden. Entsprechend fehlt die Drohkulisse. Ein ungeordneter Brexit wäre für Grossbritannien wahrscheinlich verheerend und hätte die europäische Wirtschaft überhaupt in Mitleidenschaft gezogen.

Umgekehrt droht ohne Rahmenabkommen nur eine schleichende Erosion der bilateralen Beziehung, unter der vor allem die Schweiz leiden dürfte. Und am Ende hat selbst der britische Premier nur kosmetische Änderungen bekommen. Der umstrittene Backstop wurde durch eine permanente Lösung ersetzt. Für Nordirland gelten unverändert auch die Zollregeln und gewisse Binnenmarktregeln der EU, etwas, das die Briten immer abgelehnt haben. Auch die Zufriedenheit von Regierungschef Leo Varadkar mit dem Deal, der auf irische Bedürfnisse Rücksicht nimmt, ist ein starkes Indiz, dass doch vor allem Boris Johnson sich am Ende bewegt hat.