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War es das für De Boer?
Der Schuldige ist schon gefunden

Zerknirschter Bondscoach: Frank de Boer nach dem Aus gegen Tschechien.
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Das Kreuzverhör begann eine Stunde nach dem EM-Aus. Warum man erst einen Tag vor dem Spiel nach Budapest geflogen sei? Warum er so stoisch am 5-3-2-System festgehalten habe? Welche Fehler er bei sich selbst sehe? Ob er Bondscoach bleiben wolle? Was er vom Gespräch mit dem Verband erwarte? Und wie überhaupt alles so weit habe kommen können?

Frank de Boer, Nationaltrainer der Niederlande, sass am Sonntagabend mit dem zerknirschtesten Gesicht, das man sich vorstellen kann, in den Katakomben der Puskas-Arena von Budapest in einer virtuellen Pressekonferenz und fand kurzfristig kein einziges gutes Argument, warum er auch in Zukunft Bondscoach von Oranje sein sollte. Einen spontanen Rücktritt brauchte man aber nicht zu erwarten. «Heute haben wir einen Kater», sagte er, «über die Zukunft reden wir später.»

Die 0:2-Niederlage gegen Tschechien im Achtelfinal lieferte hingegen beste Argumente für seine vielen Kritiker. Während sich Tschechien als eine mit zwar limitierten individuellen Qualitäten bestückte, aber sehr gut gecoachte Mannschaft zeigte, entpuppte sich Oranje als das Gegenteil: gute Einzelspieler, herausragende Talente – aber keine gute Spielidee, keine Anleitung zum Erfolg. Kein Ratgeber fürs Glücklichsein.

Die fatale Aktion: Matthijs de Ligt (l.) fliegt nach diesem Hands mit Rot vom Platz – die Tschechen schiessen danach beide Tore.

«Oranje bezahlt die Dummheit De Boer teuer», titelte die Zeitung «De Telegraaf» am Montag. Es sei ein Fehler gewesen, den 51-Jährigen im vergangenen September überhaupt zum Nationaltrainer zu machen, wollte das Blatt damit sagen. Und so richtig ist ja tatsächlich nie deutlich geworden, warum der Königlich-Niederländische Fussball-Bund KNVB vor neun Monaten ausgerechnet De Boer für einen guten Nachfolger des plötzlich zum FC Barcelona gewechselten Ronald Koeman gehalten hatte. Manchmal werden Menschen bloss deshalb Nationaltrainer, weil auf die Schnelle niemand anderes gefunden wird.

Der schlechteste Trainer der Premier League – gemäss Mourinho

Frank de Boer hatte sich in den vorangegangenen Jahren jedenfalls nicht gerade empfehlen können. Als Spieler, als Innenverteidiger, war er einer der besten gewesen, die die Niederlande je hervorgebracht haben: fünf Mal Meister und 1995 Champions-League-Sieger mit Ajax Amsterdam, 1999 spanischer Meister mit dem FC Barcelona. Und auch als Trainer feierte er mit Ajax zunächst Erfolge: vier Meistertitel in Serie von 2011 bis 2014.

Doch damit endete die erfolgreiche Zeit des Trainers De Boer auch schon. 2016 verspielte sein Ajax den Meistertitel am letztem Spieltag zugunsten der PSV Eindhoven. Im November 2016 wurde De Boer bei Inter Mailand nach nur drei Monaten schon wieder entlassen und im September 2017 bei Crystal Palace nach nur zwei Monaten. José Mourinho nannte ihn aufgrund eines medial ausgetragenen Streits damals «den schlechtesten Trainer, den die Premier League je erlebt hat». 2019 ging De Boer in die USA, trainierte eineinhalb Jahre Atlanta United, gewann dort den Cup-Wettbewerb sowie eine Art Supercup. Doch Mitte 2020 trennte man sich von ihm.

«Man kann mir die Schuld geben.»

Frank de Boer

Fünfzehn Spiele hat De Boer seit dem vergangenen Oktober als Bondscoach gemacht. Die Bilanz ist mit acht Siegen, vier Unentschieden und drei Niederlagen gar nicht so schlecht. Doch die drei Niederlagen schlugen besonders negativ zu Buche: zum Auftakt eine 0:1-Niederlage gegen Mexiko, im ersten Qualifikationsspiel zur WM 2022 im März eine 2:4-Niederlage in der Türkei und am Sonntag dieses enttäuschende 0:2 gegen Tschechien. De Boer hatte keinen Erfolg, er hat keine Fans, und er findet keine Unterstützung in den Medien. Da würde es überraschen, wenn der Verband mit ihm in die WM-Kampagne geht.

«Man kann mir die Schuld geben», sagte er am Sonntagabend nach dem EM-Aus. «Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass die Spieler nicht ihr normales Level erreicht haben.» Letzteres hat auch daran gelegen, dass Oranje trotz erfolglosen Anrennens gegen seriös verteidigende Tschechen keinen Kurswechsel vornahm, sondern 90 Minuten so durchspielte. Dass der junge Donyell Malen in der 52. Minute eine Riesenchance zum 1:0 vergab, dass der junge Matthijs de Ligt kurz darauf Rot wegen Handspiels sah und dass die Tschechen in der 68. und der 80. Minute zu ihren beiden Treffern kamen, war nicht direkt de Boers Schuld – doch den Gesamteindruck der Hilflosigkeit seiner Mannschaft muss er sich ankreiden lassen.

«Manchmal kann binnen einer Minute eine Welt zusammenbrechen», sagte De Boer über den Moment der vergebenen Grosschance und des Platzverweises. Aber irgendwie hatte man das Gefühl, dass er sich mit diesem Satz dann vielleicht doch schon aus dem Amt des Nationaltrainers verabschiedet hat.

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