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«Republik»-Präsident im Interview
«Mein Ziel sind 100’000 Abonnentinnen und Abonnenten»

Interview und Portrait von Michel Huissoud im TX Group Gebäude. 07.11.23

 Wo steht die Republik?

Exklusivinterview mit VRP Michel Huissoud.

Herr Huissoud, 34 Jahre lang waren Sie bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Nun sind Sie Verwaltungsratspräsident des Onlinemagazins «Republik», das zuletzt wegen eines #MeToo-Falls in die Schlagzeilen geriet. Wussten Sie, dass Sie als Krisenmanager starten werden?

Nein, das war auch für mich überraschend. Ich dachte, ich übernehme den Posten, um die finanziellen Probleme der «Republik» zu lösen. Am 23. August habe ich dann plötzlich erfahren, dass es eine Medienanfrage des Schweizer Radios bezüglich Vorwürfen sexueller Belästigung gegen einen «Republik»-Journalisten gibt. Bereits am nächsten Tag veröffentlichte SRF seinen Beitrag. Das war schon ein steiler Start.

Sie haben einen Tag vor dem SRF-Beitrag erstmals von den Vorwürfen gehört?

Ja, genau. Ich fand das erstaunlich, da ich Anfang Juni die Findungskommission der «Republik» gefragt habe, ob es irgendwelche Schwierigkeiten in dieser Hinsicht gibt. Denn ich wusste, dass es in der Medienbranche solche Probleme gibt. Dass die Vorwürfe gegen den Journalisten bei der «Republik» oder in der Medienbranche ein offenes Geheimnis gewesen sein sollen, glaube ich nicht.

Nun aber hat die Untersuchung ergeben, dass eine «Republik»-Mitarbeiterin bereits im Frühling 2018 vor dem nun beschuldigten Journalisten warnte – und schliesslich von der damaligen Chefredaktion dazu aufgefordert worden sei, sich bei Kolleginnen und Kollegen dafür zu entschuldigen. Obwohl man heute annehmen kann, dass sie recht hatte.

Das war unpassend, ja. Schlussendlich ist aber der Hauptverantwortliche die Person, von der wir uns nun getrennt haben. Die Trennung von ihm ist für mich daher die Hauptmassnahme.

Der Untersuchungsbericht sagt klar: Die Geschäftsleitung hat ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Müsste das nicht auch Konsequenzen haben?

Wir sprechen von Vorgängen, die fünf Jahre zurückliegen und von denen wir die ganze Wahrheit nicht kennen. Es gibt Leute, die sagen, man hätte damals genügend Abklärungen getroffen. Im Rahmen der Untersuchung konnten die Geschehnisse nicht vollständig rekonstruiert werden, da dazu kein Beweismaterial vorlag. Daher berichten wir vor allem über den Umgang mit der Hinweisgeberin.

Damit ist der Fall für Sie abgeschlossen?

Ja.

Interview und Portrait von Michel Huissoud im TX Group Gebäude. 07.11.23

 Wo steht die Republik?

Exklusivinterview mit VRP Michel Huissoud.

Nicht beigelegt sind die Finanzprobleme der «Republik», denn in dieser Hinsicht sieht es ganz und gar nicht gut aus.

Doch, es ist alles gut.

Alles gut? Im heute erscheinenden Geschäftsbericht meldet die «Republik» ein Defizit von 1,6 Millionen Franken – statt der budgetierten 1 Million. Auch die Abozahlen waren im letzten Geschäftsjahr rückläufig.

Wir zahlen den Preis unseres Irrtums. Wir wollten im letzten Geschäftsjahr wachsen, haben Personal eingestellt, aber daraus entstanden keine neuen Einnahmen. Jetzt müssen wir die Ausgaben reduzieren. Bereits im Frühling kam es deshalb zu acht Kündigungen, von denen wir kurze Zeit später aufgrund anderer Personalverschiebungen zwei zurücknehmen konnten. Wir machen weiter mit einem Budget von rund 6 Millionen Franken, wie wir es früher hatten, und nicht mehr mit 8 Millionen.

«Auch die ‹Republik› muss zeigen, dass sie keine politische Farbe hat.»

Die «Republik» wollte bis Ende dieses Jahres 33’000 Abos erreichen. Obwohl die digitalen Medien insgesamt wachsen, gingen die Abozahlen bei der «Republik» zurück. Warum?

Das müssen wir jetzt anschauen. Ich habe eigentlich gedacht, ich kann mich um solche Fragen kümmern, als ich im August startete. Ich habe grosse Freude an Challenge Accepted, dem ersten Produkt des Klimalabors – mit Artikeln, Veranstaltungen on- und offline –, das diese Woche gestartet ist. Das Interesse daran ist gross. Und ich finde diese Kombination toll zwischen Veranstaltungen und der Zusammenarbeit mit Leserinnen und Lesern, die selber Ideen einbringen können.

Nochmals: Wie wollen Sie jetzt die Zahl der Abos stabilisieren? Allein von Januar bis März müssen insgesamt 12’000 «Republik»-Mitglieder ihre Abos erneuern.

Indem wir die Erneuerungsrate steigern und wachsen.

Wie?

Mit Überzeugung – und indem wir zeigen, dass die «Republik» notwendig ist. Ich war sehr kritisch, was das Klimalabor anbelangt. Zunächst hatte ich Angst, dass da noch eine neue Firma gegründet wird. Aber als ich in dieser Woche den Newsletter der «Republik» öffnete und die ersten Testimonials sah, dachte ich: Das sieht gut aus.

Menschen warten in einer Schlange fuer das Crowdfunding des digitalen Magazins "Republik" von Project R, aufgenommen am Mittwoch 26. April 2017 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Eigentlich will sich die «Republik» auf die Publizistik konzentrieren. Nun setzen Sie Ihre Hoffnung mit dem Klimalabor auf ein Community-Angebot. Ein Widerspruch!

Nein, das ist ein Angebot, um neue Abonnenten zu gewinnen. Nicht alle, die sich für das Klimalabor interessieren, sind in unserer Genossenschaft.

Aber müsste nicht der Journalismus das Produkt sein, mit dem neue Abonnentinnen und Abonnenten gewonnen werden?

Klar, aber man muss die Leute abholen! Es gab 5909 Kandidatinnen und Kandidaten bei den letzten National- und Ständeratswahlen. Ich will all diesen Kandidierenden schreiben und sie fragen, wie sie in der Schweiz Politik machen wollen – ohne die «Republik» zu lesen. «Zumindest das, was die ‹Republik› positiv oder negativ über dich schreibt, solltest du wissen.»

The manifesto of the digital magazine "Republik", which was established by the cooperative "Project R", pictured at their office in the Hotel Rothaus in Zurich, Switzerland, on July 18, 2017. (KEYSTONE/Christian Beutler) 

Das Manifesto des digitalen Magazins "Republik" der Genossenschaft "Project R", aufgenommen am 18. Juli 2017 im Hotel Rothaus in Zuerich, wo das Magazin seinen Sitz hat. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Warum sollte es für einen SVP-Nationalrat relevant sein, was ein linkes Nischenprodukt wie die «Republik» über ihn schreibt?

Weil es Parallelen zwischen der «Republik» und der Eidgenössischen Finanzkontrolle gibt, was die Unabhängigkeit und die Kritik der Macht anbelangt.

Das müssen Sie erklären.

Man sollte keine Politik machen und keine Partei ergreifen. Das gilt sowohl für die Finanzkontrolle wie für den Journalismus. Und auch die «Republik» muss zeigen, dass sie keine politische Farbe hat. Anders gesagt: Die «Republik» darf nicht eine zweite WoZ sein.

Aber die «Republik» ist doch genauso links wie die Wochenzeitung.

Das glaube ich nicht. Ich will das jedenfalls nicht.

«Der Beitrag über das E-Voting könnte ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle sein.»

Wie würden Sie denn das heutige politische Profil der «Republik» beschreiben?

Das weiss ich nicht.

Sie sind doch ein politisch interessierter Zeitgenosse!

Ich weiss es wirklich nicht. Aber ein genialer Artikel war für mich der Beitrag der «Republik» über das E-Voting: Die Journalistin Adrienne Fichter zeigt darin, dass das eigentlich ein zehnjähriges Debakel ist, für das alle Parteien verantwortlich sind. Kantone mit einer rot-grünen Mehrheit sind dabei nicht besser als die bürgerlichen oder die in der Mitte. Das Debakel ist parteiübergreifend. Der Artikel von Fichter ist daher ein Muss für alle. Das könnte ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle sein!

Haben Sie der Redaktion schon gesagt, dass Sie sich einen politischen Pluralismus auf der Redaktion wünschen?

Das weiss die Redaktion, man kennt mich bereits gut genug.

Wie hat die Belegschaft darauf reagiert?

Wir haben unsere Gespräche noch nicht zu Ende geführt. Aber im Manifest der «Republik», das für mich eine Art Verfassung des Onlinemagazins ist, steht ganz oben die Kritik der Macht. Macht ist nicht links oder rechts. Daher gibt es keine heilige Kuh und keine Fragen, die tabu sind. Damit sind alle bei der «Republik» einverstanden.

Wird es neben dem breit aufgestellten linken Flügel bei der «Republik» auch noch einen gleich starken rechten geben?

Ehrlich gesagt, finde ich diese Opposition zwischen rechts und links ein bisschen überholt.

Wirklich?

Ja, ich finde die Unterscheidung zwischen konservativ und revolutionär viel interessanter. Also zwischen Leuten, die gar nichts verändern wollen, und den anderen, die revolutionär, also innovativ sein wollen.

«Mir machen Leute Angst, die sagen, sie wollten die Schweiz von 1848 erhalten.»

Was ist für Sie revolutionär?

Ich kämpfe zum Beispiel für eine Totalrevision der Bundesverfassung.

Das wäre für Sie revolutionär?

Ja, wenn ich sage: Wir müssen den Föderalismus überdenken, wenn wir die Digitalisierung vorantreiben wollen. Dann sagen viele: «Oh nein, bitte nichts verändern, wir wollen die Schweiz von 1848 erhalten.» Mir machen diese Leute Angst.

Soll die «Republik» kein politisches Identifikationsangebot mehr sein?

Im Sinn links, rechts? Nein, aber eine Hilfe, sich zu orientieren und um Politik zu machen.

Die «Republik» hat Rückstellungen vorgenommen für allfällige Steuerschulden in Höhe von 800’000 Franken. Sie als Finanzprofi dürften den Kopf geschüttelt haben.

Die Schenkung wäre kein Problem gewesen, wenn sie ein Mitglied gemacht hätte. Es war aber eine Stiftung, die der «Republik» den erwähnten Betrag geschenkt hat. Kantonale Steuerverwaltungen behandeln solche Konstellationen nicht gleich. In unserem Fall möchte eine kantonale Steuerverwaltung Schenkungssteuern erheben. Da die Abklärungen bei den Behörden immer noch laufen, kann ich Ihnen leider noch keine weiteren Auskünfte zu Details des Verfahrens geben.

Von wem stammt das Geld, das nicht richtig versteuert wurde?

Der grösste Teil kam von einer anonymen Quelle. Nur zwei Personen kannten ihre Identität. Diese anonymen Spenderinnen haben weder Aktien noch Stimmrecht, und ihre Identität ist auch der Redaktion nicht bekannt. Sie haben keine Möglichkeit, die Arbeit der «Republik» zu beeinflussen.

Im Geschäftsbericht macht die Prüfgesellschaft eine wesentliche Unsicherheit an der Fähigkeit der Republik AG zur Unternehmensfortführung geltend. Das klingt alarmierend.

Nein, das ist noch nicht gravierend. Es ist ein Hinweis, keine Einschränkung, da wir Massnahmen aufgezeigt haben, mit denen wir die Wende schaffen können.

Also noch keine Unsicherheit, dass die «Republik» ihren Betrieb einstellen muss?

Nein.

«Die Kritik der Macht ist sympathisch – und ich finde, es darf mehr werden.»

Gibt es die «Republik» in fünf Jahren noch?

Ja.

Und wie sieht sie aus?

Viel grösser. Mein Ziel sind 100’000 Abonnentinnen und Abonnenten.

Sie wollen also die Abozahl verdreifachen – in bloss fünf Jahren?

Es gibt ja auch noch andere Kantone als Zürich. Und Süddeutschland könnte auch noch ein Markt für die «Republik» sein.

Sie wollen mit der «Republik» nach Deutschland expandieren?

Das wäre denkbar. Ich habe noch keine Zeit gehabt, eine Strategie auszuarbeiten. Aber ich bin überzeugt, dass der Markt grösser ist. Zurzeit sind wir zu stark auf Zürich zentriert.

Angst, als Utopist in die Geschichte einzugehen?

Nein, ich finde einfach die Kritik der Macht sympathisch – und ich finde, es darf mehr werden. Wir brauchen das.

In einer ersten Fassung dieses Interviews hiess es in einer Antwort von Michel Huissoud, die Republik habe im Frühling zehn Kündigung ausgesprochen. Diese Aussage, die autorisiert wurde, ist gemäss Geschäftsführung der Republik nicht korrekt: Im Frühjahr 2023 seien acht Kündigungen ausgesprochen, von denen zwei kurze Zeit später aufgrund anderer Personalverschiebungen zurückgenommen werden konnten, schreibt die Republik-Geschäftsführung. Die Antwort von Michel Huissoud wurde deshalb nachträglich korrigiert. Zudem wurde eine Bildlegende angepasst: Das Foto vom Juli 2017 zeigt nicht das Manifest der Republik, sondern einen Text über den Zweck der Republik-Genossenschaft.