Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

TV-Kritik «Tatort»
Der Priester hat den Kragen riskiert

Die Liebe ist verflossen, jetzt beschützt er deren Schwester: Ermittler Felix Voss (Fabian Hinrichs) mit Eva Hentschel (Sina Martens).
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Man kann ihm dabei zuschauen, wie sie ihn plagen, die Erinnerungen. Er sagt nichts, aber denkt viel, und dank aufwendig inszenierten Rückblenden erfahren wir auch, was genau: Felix Voss (Fabian Hinrichs) denkt an früher, an die Studentenzeiten in Berlin, in der sich etwas anbahnte zwischen ihm und ihr, Antonia Hentschel, Toni.

«Hochamt für Toni» ist in gut-düsterer fränkischer Tradition ein tiefschürfender «Tatort», der sich da vor einem auftut. Es wird persönlich für Ermittler Voss, auch das eigentliche Opfer des Falls ist ihm bestens bekannt, Marcus Borchert war damals ein Kommilitone, im Kreis mit Toni, heute ist er Priester. Er wolle in seiner Predigt etwas sagen über Tonis Schicksal, die sich ein Jahr davor umgebracht haben soll, so sagt er das zu Voss, noch ganz zu Beginn der Folge.

Minuten später weiss man: Der Priester riskierte damit Kopf und Kragen, Borchert ist tot, erstochen in der Sakristei. Zu seinem Hochamt kommt er nie.

Böse Adlige in Sonnenkönig-Sesseln

Eine Leiche, ein persönlich involvierter Ermittler, ein überzeichnet fränkisch sprechender Lokalpolizist (man hat unweigerlich Lothar-Matthäus-Vibes) – und als ob man im Drehbuch von Bernd Lange (Autor der 50-Jahre-«Tatort»-Jubiläumsfolge von 2020) noch ein gewisses Klischee hätte erfüllen wollen, tritt darin auch bald einmal der reiche, böse Adlige auf.

Der routinierte «Tatort»-Darsteller André Jung spielt den dickköpfigen Patriarchen Johannes Hentschel zwar hingebungsvoll, die zerrissene Familie um die beiden narzisstischen Söhne und die verbliebene Schwester Eva (in der Doppelrolle auch für Toni: Sina Martens) führt in samtbezogenen Sonnenkönig-Sesseln sitzend in einem von Dienern bevölkerten Schloss aber ein Leben, wie es selbst für Adlige kaum mehr zeitgemäss erscheint.

Ein Leben, wie es auch für Adlige kaum mehr zeitgenössisch erscheint: Die Familie Hentschel.

Es gibt Familienstreit bei den Hentschels, es geht – Überraschung – ums Erbe, und wie Voss, bald einmal unterstützt von der Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), zwischen Kopf und Herz, ermittlerischem Gespür und sehnsuchtsvoller Neugier der Lösung entgegenschlingert und das wirkliche Schicksal seiner vermissten Toni aufdeckt, ist unterhaltsam anzuschauen.

Die Inszenierung unter der Regie von Michael Krummenacher ist mal düster, mal ländlich scheinidyllisch. Der Film hat nur ein Problem: Dass er nach ungefähr der Hälfte etwas durchhängt, weil schon nach 15 Minuten klar ist, worauf er hinausläuft.

Ein echtes Finale bekommen wir nicht zu sehen. Und doch müssen wir uns am Ende nicht mehr mit den Erinnerungsfetzen von Voss begnügen, um einen Blick auf die ominöse Toni zu erhaschen. Einen kleinen Turnaround, stilvoll inszeniert, hält dieser ansonsten sehr ruhige, sphärische «Tatort» dann doch noch bereit.