Kommentar zu Palästina und Mahmoud AbbasDer Präsident verprellt das Volk
Unter einem durchsichtigen Vorwand hat Präsident Mahmoud Abbas die Wahl abgesagt. Statt Demokratie zuzulassen, klammert er sich an den Status quo und an die Macht.
Mahmoud Abbas verweigert den Palästinensern fundamentale Rechte. Unter dem Druck europäischer Staaten setzte der palästinensische Präsident zwar Wahlen im Westjordanland, dem Gazastreifen und in Ostjerusalem an. Aber mit einer durchsichtigen Begründung hat Abbas dann wieder einmal den Urnengang abgesagt.
Dabei ist es mittlerweile schon 15 Jahre her, dass Palästinenser mit ihrer Stimme über die Zusammensetzung ihres Parlaments entscheiden durften. Und Präsident Abbas regiert schon seit Jahren ohne demokratische Legitimation. Sein Herrschaftsbereich ist seit der Machtergreifung der islamistischen Hamas im Gazastreifen vor 14 Jahren ohnehin nur noch auf das Westjordanland beschränkt.
Israels Verweigerung hätte nicht gleich die Absage der gesamten Wahl bedeuten müssen.
Diesmal hat ihm die israelische Regierung den Vorwand für seine Wahlabsage geliefert: Tatsächlich stellte Israel, anders als 2006, die Postämter in Ostjerusalem nicht als Wahllokale zur Verfügung. Das ist ein Verstoss gegen die Osloer Verträge, und dafür ist Israel als Besatzungsmacht durchaus zu kritisieren. Aber diese Verweigerung hätte nicht gleich die Absage der gesamten Wahl bedeuten müssen.
Denn es sind davon nur rund 6000 Palästinenser betroffen, für die die palästinensische Führung andere Wahlmöglichkeiten hätte suchen können – einen entsprechenden Willen vorausgesetzt. Der Grossteil der arabischen Bewohnerinnen und Bewohner Ostjerusalems, etwa 150’000 Menschen, sollte ohnehin in anderen Orten wählen gehen.
Für Abbas war diese Haltung Israels ein willkommener Anlass, um gleich den gesamten Urnengang zu kippen und damit den 2,5 Millionen Wahlberechtigten ihr demokratisches Recht zu versagen. Abbas zeigt selbstherrlich einmal mehr, dass es ihm nur um Machterhalt geht. Er ist ein arabischer Potentat, dessen Clique seit Jahren auch vom Geld der EU profitiert.
Junge Palästinenser kritisieren die überall gegenwärtige Korruption, das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte.
Insbesondere junge Palästinenser kritisieren die überall gegenwärtige Korruption, das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten und Journalisten. Sie machen für ihre Lage nicht mehr nur die israelische Besatzung, sondern auch ihre entrückte Führungsriege verantwortlich – zu Recht. Denn die palästinensische Führung raubt ihnen jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Auch im daniederliegenden Friedensprozess hat Abbas keine Impulse gesetzt. Stur Nein zu sagen, reicht nicht aus, zumal Israels Langzeit-Premier Benjamin Netanyahu den Siedlungsbau massiv vorantreibt.
Die palästinensische Gesellschaft ist gespalten, allenfalls noch geeint im Ziel, einen eigenen Staat zu bekommen.
Es ist nicht verwunderlich, dass Abbas seit Jahren dramatisch an Rückhalt verliert und sich führende Mitglieder von seiner Fatah-Partei abspalten. Der 85-jährige, schwer kranke Präsident regiert nach der Devise «Teile und herrsche» und hat es bisher versäumt, einen Nachfolger zu nominieren. Abbas ist vor allem daran interessiert, den Status quo zu bewahren und die Hamas in Schach zu halten. Die palästinensische Gesellschaft ist gespalten, allenfalls noch geeint im Ziel, einen eigenen Staat zu bekommen. Auch dafür trägt Abbas massgeblich die Verantwortung.
Die internationale Gemeinschaft muss sich nun die Frage stellen, ob sie ein korruptes Regime, das ganz offensichtlich keinen Wert legt auf demokratische Prinzipien, weiterhin unterstützen will. Die Leidtragenden sind die Palästinenser, die sich von ihrer eigenen Führung verraten und von der internationalen Gemeinschaft vergessen fühlen.
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