Weltweite HitzeDer Planet schwitzt
Im Süden der USA ist es zurzeit viel wärmer als üblich, ebenso in Teilen der Antarktis, und in Griechenland werden bis zu 43 Grad erwartet. Wie es zu den hohen Temperaturen kommt – und wo sie besonders extrem sind.
Nordamerika erlebt einen Sommer, wie es lange keinen gegeben hat: Wo man hinblickt in den USA, überall Rekorde: Höchsttemperaturen, viel zu viel Wasser, viel zu wenig Wasser, Stürme ungekannten Ausmasses. Und in Kanada brennen unablässig die Wälder. Einen weiteren Rekord könnte demnächst die Grossstadt Phoenix in Arizona erzielen. Im Jahr 1974 gab es einmal 18 Tage in Serie, an denen die Temperatur mehr als 110 Grad Fahrenheit betrug, also mehr als 43,3 Grad Celsius. Diese Marke wird aller Voraussicht nach bald überboten: Seit zwei Wochen wird in Phoenix an jedem Tag die Marke von 110 Grad Fahrenheit überschritten. Und ein Ende dieser Hitzewelle ist nicht abzusehen.
Die aktuelle Hitze in Arizona, Texas und Kalifornien ist zwar ungewöhnlich und für die Menschen sehr bedrohlich. Aber schaut man momentan auf eine Karte der Wetteranomalien weltweit, fällt der Süden der USA nicht unbedingt als Erstes ins Auge. Grosse Teile der Erde sind momentan viel wärmer als sonst um diese Jahreszeit.
Zum Teil geht es dabei nicht um Hitze, sondern um ausbleibende Kälte. Zum Beispiel in der Antarktis: In Teilen des Kontinents, etwa rund um die Antarktische Halbinsel, ist es momentan deutlich zu mild für einen Wintermonat. Allerdings sind starke Fluktuationen dort gerade im Winter normal, andere Teile der Antarktis sind sogar kälter als üblich. Was hingegen alles andere als normal ist, das ist das antarktische Meereis: Dessen Menge liegt noch weit unterhalb des bisherigen Negativrekords aus dem vergangenen Jahr, etwa ein Fünftel der um diese Jahreszeit sonst üblichen Eisfläche rund um die Antarktis fehlt.
Um die 40 Grad in Sibirien
Ebenfalls auffallend ist die Hitze in Teilen von Kasachstan und im Süden von Russland, dort wurden in den vergangenen Tagen immer wieder lokale Allzeitrekorde gebrochen. Teile von Sibirien brüteten schon im Juni unter einer Hitzewelle, an manchen Orten wurden Temperaturen um die 40 Grad erreicht.
Nordwestafrika und Süd- und Mitteleuropa haben zuletzt ebenfalls ungewöhnlich heisse Temperaturen erlebt. Diese Hitze verlagert sich momentan Richtung Osten, in Griechenland wird dieses Wochenende mit bis zu 43 Grad gerechnet. «Die hohen Temperaturen werden von einem etablierten Hochdrucksystem über der Region getrieben», sagt Rebekah Sherwin vom globalen Prognoseteam des britischen Met Office. «Auch die Meeresoberflächen-Temperaturen sind in der Region ungewöhnlich hoch, in vielen Teilen des Mittelmeers liegen sie bei 25 bis 28 Grad. Das wird die Effekte der Hitze in den umgebenden Landflächen verstärken.» Selbst in Küstenregionen seien nachts Temperaturen in der Nähe von 25 Grad zu erwarten. Schon wenn es nicht kühler als 20 Grad wird, spricht man von Tropennächten.
Auch die übrigen Ozeane sind noch immer weit wärmer als je zuvor gemessen, was in den kommenden Wochen weitere Rekorde zur Folge haben könnte. «Das ist ein wichtiger Faktor bei den warmen Bedingungen, die wir gerade sehen», sagt Julien Nicolas vom europäischen Klimadienst Copernicus. Im Juni war der nordöstliche Atlantik nach einer Copernicus-Analyse im Schnitt 1,36 Grad wärmer als im Mittel der vergangenen Jahrzehnte.
«Diese nie da gewesenen Temperaturen waren eine Überraschung», sagt Nicolas. Noch immer ist nicht ganz klar, wie es dazu kam. Ein wichtiger Faktor dürfte gewesen sein, dass sich weniger Saharastaub in der Luft befand, der sonst einen Teil der Sonneneinstrahlung reflektiert. Hinzu kam ein sehr schwaches Azorenhoch, das zu schwächeren Winden über dem Wasser führte, weshalb sich das Wasser an der Oberfläche kaum mit dem kühleren aus tieferen Schichten vermischte.
El Niño baut sich erst auf
Insgesamt hat die Erde Anfang Juli die mit einigem Abstand heissesten Tage seit Beginn der Messungen erlebt. Mittlerweile hat sich die globale Temperaturkurve auf dem Portal «Climate Reanalyzer» der University of Maine etwas gesenkt, sie lag am Mittwoch aber immer noch um mehr als ein Zehntelgrad über dem bisherigen Rekord, der im Jahr 2016 gesetzt wurde – damals trieb ein extremes Exemplar des Klimaphänomens El Niño die Temperaturen an.
El-Niño-Bedingungen herrschen seit Juni 2023 erneut auf der Erde, was sich deutlich in den erhöhten Temperaturen im Pazifik vor der Küste Perus zeigt. Das Phänomen ist aber erst dabei, sich aufzubauen, noch ist nicht absehbar, wie stark es wird. Deshalb taugt es auch nicht als Erklärung für die derzeit beobachteten Extreme; letztendlich ist der zentrale Faktor die Klimakrise. «Klimaextreme werden zur neuen Normalität», sagt Copernicus-Experte Nicolas. «Das ist das, was wir erwarten, wenn das Klima sich erwärmt.»
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