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Belgische Comicfigur Gaston
Der Zeichner ist tot, aber der Nichtsnutz soll wieder an die Arbeit

«Hier bin ich wieder» – mit diesem Bild wirbt der Verlag Dupuis für den neuen, posthumen und möglicherweise nie erscheinenden Band mit den Abenteuern von Gaston Lagaffe.
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Sie sei klageberechtigt, schreibt «Le Monde» diese Woche, das habe ein belgisches Gericht entschieden. Isabelle Franquin, Tochter des 1997 verstorbenen Comiczeichners André, darf also den Willen ihres Vaters juristisch vertreten: Dass niemand das Recht bekommen soll, Gaston Lagaffe nachzuzeichnen, Franquins millionenfach geliebte Figur.

Gaston selber hätte man nicht fragen müssen. Weitermachen wäre für ihn nicht infrage gekommen, weil er schon das Machen mied. Offiziell war er im Büro seines Verlags Dupuis, für den auch sein Zeichner Franquin arbeitete, für die Leserbriefe zuständig. Aber Arbeit war nicht Gastons Ding. Vielmehr betrieb er seine Karriere als Arbeitsverweigerer, dessen häufigster Aufenthaltsort der Liegestuhl war, mit der Katze auf dem Bauch. Gaston liebte Tiere und Kakteen, fuhr einen baufälligen Fiat, verkrachte sich mit dem lokalen Polizisten und spielte mehrere Instrumente laut.

«Ich bin nichts anderes als ein alter Goof, der zeichnet.»

André Franquin

Ausserdem war er ein professioneller Chaot, der immer neue Katastrophen produzierte. Der von der verliebten Sekretärin Mademoiselle Jeanne verehrt wurde, ohne dass er selber die psychische Reife hatte, sich auf eine Beziehung einzulassen. Der es dafür immer wieder fertigbrachte, die Verträge seines Arbeitgebers zu sabotieren. Dessen Charakter spielerisch war, das Verhalten kindisch und die Mentalität anarchisch. Damit trieb er seine Bürokolleginnen und -kollegen in den Wahnsinn. Aber wie es bei solchen Konstellationen der «bande déssinée» üblich ist, gehört der Wahnsinn als dialektische Abweichung zur Norm. Der Irre stabilisiert mit seinen Exzessen den Alltag der Regulären. 

Die Tochter wehrt sich für den toten Vater

Mit seinem Faulsein hatte der liebenswerte Nichtsnutz internationalen Ruhm erlangt. Dabei ist Gaston nur eine der vielen Kreationen von André Franquin, dem Brüsseler Zeichner. Lagaffe wurde auch auf Deutsch übersetzt. Zuerst in einer miserablen Version des für seine Inkompetenz berüchtigten Kauka-Verlags, später von besseren Konkurrenten dem französischsprachigen Original angenähert.

Aber was schon für Astérix und Lucky Luke galt, vor allem, wenn sie von René Goscinny getextet wurden, diesem Meister der Anspielungen, Wortspiele und bösartigen historischen Vergleiche, gilt eben auch für die Figuren von Franquin: Keine Übersetzung wird seinem Französisch gerecht. 

Ein professioneller Chaot, der immer neue Katastrophen produzierte: Gaston und einer seiner geplagten Vorgesetzten.

Jetzt gibt der faule Bürolist wieder zu reden, obwohl sein Schöpfer vor über 20 Jahren in Südfrankreich an Herzversagen starb, nachdem er 950 Abenteuer von Gaston gezeichnet hatte. Denn Franquins Verlag Dupuis kündigte vor zwei Jahren einen neuen Band über Gaston an. Der Kanadier Marc Delafontaine hatte «Le retour de Lagaffe» bereits gezeichnet.

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Dass das Buch nicht erscheinen dürfe, begründete Franquins Tochter Isabelle mit «ethischen und künstlerischen Gründen». Worauf der Verlag die Veröffentlichung bis auf weiteres aussetzte, er wartet wohl auf den Ausgang des Gerichtsverfahrens. Die Kontroverse gibt in den frankofonen Ländern auch deshalb zu reden, weil Comics dort als Kunst verstanden werden, das Komische also ernst genommen wird.

Schwere Depressionen

«Je ne suis rien d’autre qu’un vieux gamin qui dessine», sagte der Comic-Autor über sich, ich bin nichts anderes als ein alter Goof, der zeichnet. Was den Zeichner von seiner Figur unterschied, ist das Temperament. Gaston hatte Freude am Leben, Franquin hasste es. Der Meister des Komischen litt an einer Dauerdepression, die er in seinem Band «Idées noires» sarkastisch visualisierte. Den verspielten Charakter von Gaston Lagaffe muss man somit als Kompensation von André Franquins eigener Verzweiflung verstehen. Wie so viele Komiker konnte er alle zum Lachen bringen ausser sich selber.