Kommentar zu «Nur Ja heisst Ja»Der Nationalrat sendet ein wichtiges Signal: Der Körper ist kein Allgemeingut
Mit der Zustimmungslösung nimmt die sexuelle Gewalt nicht ab. Sie betont aber, dass Frauen und Männer selbst entscheiden können, ob, wann und mit wem sie Sex haben wollen.
Gemäss einer Studie von Amnesty International wurden 12 Prozent aller Frauen in der Schweiz bereits einmal vergewaltigt. Das ist rund jede achte Frau. Eine schreckliche Realität, die sich so rasch nicht ändern dürfte – selbst mit dem «Nur Ja heisst Ja»-Modell nicht, wonach eine Vergewaltigung vorliegt, wenn es keine ausdrückliche Zustimmung zum Sex gibt.
Dennoch ist es richtig und wichtig, dass sich der Nationalrat dafür ausgesprochen hat. Er kommt damit nicht nur den langjährigen Forderungen der Menschenrechtsorganisationen und Frauengruppen nach. Er folgt auch dem Beispiel vieler anderer europäischer Länder wie Dänemark oder Spanien. Vor allem aber entspricht er dem Wunsch grosser Teile der Bevölkerung, die laut einer Umfrage des Forschungsinstituts GFS der Meinung sind, dass Sexualität unter gleichberechtigten Partnern im gegenseitigen Einvernehmen stattfinden soll.
In einer liberalen Gesellschaft dürfen alle selbst über den eigenen Körper entscheiden.
Bisher kam es für die Strafbarkeit eines sexuellen Übergriffs darauf an, ob der Täter dem Opfer mit Gewalt gedroht oder Gewalt angewendet hat. Und ob sich das Opfer gewehrt hat. Demgegenüber stellt bereits das vom Ständerat beschlossene Widerspruchsmodell («Nein heisst Nein») einen wesentlichen Fortschritt dar, wonach sexuelle Handlungen bestraft werden können, wenn sie gegen den verbal oder nonverbal ausgedrückten Willen einer Person stattfinden. Das Opfer muss sich aber weiterhin wehren, was nicht immer möglich ist: Viele Frauen verharren bei einem Übergriff in einer Schockstarre und sind nicht in der Lage, Nein zu sagen, eine Geste zu machen oder zu weinen.
Die Ja-Lösung wird diesem Umstand besser gerecht; sie stärkt die Opfer, indem sie den Fokus stärker auf das Verhalten der Täter legt. Vor allem aber rückt sie die sexuelle Selbstbestimmung ins Zentrum und sendet ein wichtiges Signal: In einer liberalen Gesellschaft dürfen alle selbst über den eigenen Körper entscheiden. Und auch darüber, ob, wann und mit wem sie Sex haben wollen.
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