Repression in der TürkeiDer nächste Racheakt gegen Osman Kavala
Der Menschenrechtsaktivist Osman Kavala steht erneut vor Gericht. Dem 63-Jährigen werden Spionage und der Versuch, die Regierung zu stürzen, zur Last gelegt. Er nennt das Verfahren bizarr.
Die türkische Justiz wirft dem seit drei Jahren in Untersuchungshaft sitzenden Kulturmäzen Osman Kavala Spionage und die Unterstützung des Militärputschs von 2016 vor. Bei der Eröffnung eines neuen Verfahrens gegen Kavala in Istanbul hiess es in der Anklageschrift, der Philanthrop habe gemeinsam mit dem in den USA ansässigen Akademiker Henri Barkey den gescheiterten Putsch mit vorbereitet. Als Beweise führt sie Telefondaten an, die zeigten, dass die beiden sich in Istanbul in derselben Mobilfunkzelle befunden hätten. Das lege nahe, dass sich die Männer auch getroffen hätten. Der Richter vertagte das Verfahren auf den 5. Februar, Kavala bleibt weiter in Haft, Barkey ist ausser Landes.
«Gegen türkisches Recht»
Kavalas Anwälte sprachen von konstruierten Vorwürfen und einem politisch motivierten Verfahren. Der neue Prozess sei «ein Racheakt», weil der Kulturmäzen in einem ersten Verfahren Ende 2019 wegen des Vorwurfs der Organisation der Gezi-Park-Proteste von 2013 freigesprochen worden war. Kavala wurde aus dem Gefängnis über Video zugeschaltet. In seiner Verteidigungsrede wies er die Vorwürfe zurück. Seine dreijährige U-Haft aufgrund «bizarrer Vorwürfe» sei «eine Form von Folter». Einer seiner Anwälte sagte, Teile der Anklage wiederholten Vorwürfe einer Ende 2019 niedergeschlagenen Anklage: «Das verstösst gegen türkisches Recht.»
Der Kulturmäzen befindet sich seit November 2017 in U-Haft. Festgenommen worden war er wegen des Vorwurfs des Umsturzversuchs, zu dem er die Gezi-Proteste von 2013 mit organisiert habe. Später musste die Justiz den Vorwurf fallen lassen. Statt Kavala freizulassen, wurden neue Vorwürfe erhoben, diesmal der Spionage sowie der Unterstützung des Putschversuchs gemeinsam mit Barkey. Kavala droht lebenslange Haft. Bei den Gezi-Protesten hatte eine Bewegung der Zivilgesellschaft gegen die Zerstörung eines Parks im Zentrum Istanbuls protestiert. Die Proteste wurden zu einem Aufbegehren gegen die zunehmend autoritäre Herrschaft von Recep Tayyip Erdogan, der damals noch Premier war und die Proteste niederschlagen liess. Drei Jahre später, im Juni 2016, hatten Teile des Militärs einen Putsch versucht, der vereitelt wurde. Verantwortlich gemacht wird neben der Armee der islamische Prediger Fethullah Gülen, seine Organisation wird als Terrororganisation gebrandmarkt.
Kavala bleibt in Haft
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte 2019 entschieden, dass die Gründe für U-Haft nicht gegeben seien und Kavala politisch zum Schweigen gebracht werden solle. Obwohl EGMR-Urteile für die Türkei als Mitglied des Europarats bindend sind, blieb Kavala in Haft. Von internationalen Menschenrechtsorganisationen kommt anhaltende Kritik, ebenso von westlichen Regierungen. Kavala hat sich wegen der Dauer seiner U-Haft zudem an das türkische Verfassungsgericht gewendet. Das Gericht hatte die Entscheidung zu Beginn der Woche erneut vertagt.
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