Diego Benaglio hört aufDer nächste Grosse tritt ab
Er war 18 Jahre im Ausland, bestritt für die Schweiz 61 Länderspiele und feierte mit dem VfL Wolfsburg seine grössten Erfolge – nun macht der Goalie mit bald 37 Jahren Schluss.
Die Frage klingt simpel, eigentlich: «Was will ich überhaupt?» Diego Benaglio stellt sie sich oft, als er noch bei Monaco unter Vertrag steht. Aber er zögert mit der Antwort, weil er immer schon so funktioniert hat: Ein Entscheid will wohlüberlegt sein, das Rationale steht über dem Emotionalen. Also nimmt er sich genügend Zeit, prüft alles sorgfältig – und gelangt so zu diesem Ergebnis: Er beendet seine Karriere.
«Es fühlt sich gut und richtig an», sagt er, «ich dachte, dass ich mehr Mühe haben würde, den Rücktritt zu kommunizieren. Aber mich befällt keine Wehmut.» Auf einen Abschied mit Brimborium verzichtet er bewusst, «ich war noch nie einer, der das Rampenlicht suchte. Alles gut, mir fehlt nichts.»
Mit Benaglio tritt der nächste Grosse ab, ein paar Tage nur nach Stephan Lichtsteiner, mit dem er eng befreundet ist. 37 wird der Goalie am 8. September, er hat ein Alter erreicht, in dem ihm der Körper wiederholt signalisiert hat, dass er Schonung braucht. «20 Jahre als Profi hinterlassen halt ihre Spuren», sagt er, «ausserdem war es mir wichtig, dass ich selber den Zeitpunkt, an dem ich aufhöre, bestimmen konnte.» Eine Rückkehr zu GC ist zwar ein Thema, aber nur kurz, das Gefühl, einen Schlussstrich ziehen zu müssen, ist grösser als die Lust, eine Zusatzschlaufe in der Challenge League zu bewältigen.
Magath hat ihn gelehrt, sich durchzubeissen
In jungen Jahren ist Benaglio das Talent aus Spreitenbach, das 2002 von GC zu Stuttgart wechselt und über Nacional Funchal nach Wolfsburg findet. Anfang 2008 ist das, sein Chef dort heisst Felix Magath, der dem Schweizer beibringt, was professionelle Einstellung bedeutet: «Ich lernte dank ihm, mich durchzubeissen.»
Im Mai 2009 wird Benaglio mit dem VfL deutscher Meister, 2015 auch Cupsieger. In der Autostadt, die nicht das Mondäne von Berlin oder Hamburg hat, fühlt er sich bestens aufgehoben. Für die Wolfsburger bestreitet er in neuneinhalb Jahren 321 Partien, er steigt zum Captain und Wortführer auf.
Im Sommer 2017 wagt er doch noch einmal etwas Neues. Er unterschreibt bei Monaco einen Dreijahresvertrag und lernt im Fürstentum eine Glitzerwelt kennen, über die er sagt: «Vieles ist surreal. Aber wenn man das Normale nicht aus den Augen verliert, ist es fantastisch hier.»
Einmal schon hat Benaglio einen Rücktritt gegeben. Am 1. Juli 2014 trägt er zum 61. und letzten Mal das Dress der Nationalmannschaft. Es ist der Tag, an dem die Schweiz in einem aufwühlenden WM-Achtelfinal gegen Argentinien in der 118. Minute den Gegentreffer hinnehmen muss, der alle Träume platzen lässt. Als Schluss ist, geht Benaglio weinend zu Boden, in jenem Moment ahnt er: «Das war mein letztes Länderspiel.» 50 Tage danach macht er es offiziell.
Beeindruckt von Buffon
Benaglio debütiert 2006 als Nationalspieler gegen China im Hardturm, am 6. Februar 2008 macht Köbi Kuhn ihn zur Nummer 1. Und als Ottmar Hitzfeld das Traineramt übernimmt, bleibt die Hierarchie bestehen: Benaglio bleibt unangefochten, sein Status im Team ist der eines Leaders. Bis er mit 30 zum Schluss kommt, dass er sich fortan nur noch auf den Club konzentrieren möchte.
Manchem Goalie hat Benaglio gerne zugeschaut, als Junior hat er alles aufgesogen. Aber keiner hat ihm so imponiert wie Gianluigi Buffon, der ewige Goalie von Juventus Turin: «Er hat auch in heiklen Momenten souverän gewirkt und ein Lächeln auf den Lippen gehabt.» Buffon ist 42, Benaglio noch 36, aber nun reizen ihn andere Dinge mehr, als Bälle zu parieren. Tennis spielen, Ski fahren, «ganz normale Wochenenden mit der Familie erleben», wie er sagt.
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Die Emotionen seiner Laufbahn hat er gespeichert, die schönen Momente nach Erfolgen, auch solche, die ihm zusetzten. In Erinnerung ist das Finale der Saison 2010/11, das Spiel in Hoffenheim, diese Ausgangslage: gewinnen oder im ärgsten Fall direkt absteigen. «Es gibt wesentlich angenehmere Gefühle als jene, die ich damals in der Kabine hatte», sagt er.
Nun stellt sich die eingangs erwähnte Frage nochmals: Was will er überhaupt? Wie sieht die Zukunft aus? Mit seiner Familie ist er aus Monaco in die Region Zürich zurückgekehrt, und er lässt alles Berufliche auf sich zukommen. Noch bevor sein Rücktritt publik geworden ist, sind ihm «einige spannende Projekte» vorgestellt worden. Er wird sich vieles anhören, aber eines bestimmt nicht tun: überstürzt handeln.
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