Zensur der Schweiz in ChinaKenner deuten Reaktion von Schweizer Botschaft als Strategiewechsel
Dass die Schweizer Vertretung in China via Twitter eine Aktion Pekings anprangert, scheint so bisher einmalig. Inzwischen hat sich der Botschafter selber zu Wort gemeldet.
Die Meldung der Schweizer Botschaft in Peking gibt weiter zu reden. Die Botschaft hatte am Donnerstag die Öffentlichkeit via Kurznachrichtendienst Twitter darüber informiert, dass eine ihrer Nachrichten auf dem chinesischen Twitter-Pendant Weibo zensiert worden sei. Darin hatte sie auf das spurlose Verschwinden des chinesischen Menschenrechtsanwalts und Regimekritikers Tang Jitian aufmerksam gemacht.
Dazu, was genau passiert ist, wollte sich der Sprecher der chinesischen Botschaft auf wiederholte Anfrage auch am Freitag nicht äussern. Dafür äusserte sich Bernardino Regazzoni, der Schweizer Botschafter in China, zur Angelegenheit. «In dem Moment, als wir merkten, dass der Inhalt auf einem unserer Social-Media-Kanälen verschwunden war, machten wir das publik und wiederholten den Post», sagte Regazzoni am Freitag gegenüber dem italienischen Schweizer Radio und Fernsehen (RSI). Er könne sich nicht an einen ähnlichen Vorfall mit offiziellen Beiträgen von anderen Ländern erinnern.
«China ist in den letzten Jahren autoritärer, protektionistischer und politisch verschlossener geworden.»
Dass die Schweiz in China ein Menschenrechtsproblem via soziale Medien in die Öffentlichkeit trage und anspreche, habe er so noch nie gesehen, sagt Blaise Godet, ehemaliger Schweizer Botschafter in China. Ebenso neu ist für Godet, dass die chinesischen Behörden einen Beitrag der Schweiz zensieren. Das chinesische Verhalten erstaune ihn aber nicht, so Godet. Sein einstiger Gaststaat sei «in den letzten Jahren autoritärer, protektionistischer und politisch verschlossener geworden», sagt Godet.
Die Schweiz habe ihre Zurückhaltung gegenüber China abgelegt, beobachtet Alt-Botschafter und «Le Temps»-Kolumnist François Nordmann. Früher habe sich das Aussendepartement mit Kritik gegenüber China zurückgehalten. Seit letztem Jahr liege ein neues Grundlagenpapier vor, das einen kritischen Umgang mit China vorsehe, insbesondere was die Menschenrechte anbelange, so Nordmann.
Im Papier enthalten ist, dass vor Ort tätige Schweizer Unternehmen aufgefordert werden, bei der Einhaltung der Menschenrechte exemplarisch zu sein und damit als gute Vorbilder zu gelten und zur Nachahmung zu animieren. Im Botschafts-Tweet erkennt François Nordmann nun den Strategiewechsel der Schweizer Aussenpolitik gegenüber China, zu Menschenrechtsverstössen nicht zu schweigen, sondern sie aktiv und öffentlich anzusprechen.
Neu und mutig
Die neue Strategie kommt bei linken wie rechten Mitgliedern der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats gut an. Die St. Galler SP-Nationalrätin Claudia Friedl lobt: «Endlich wird der Menschenrechtsdialog mit China ernst genommen. Der Botschafter und seine Angestellten leben vor Ort, beobachten Probleme und können entsprechend reagieren, wie sie es mit dem Tweet getan haben.» Das sei neu und mutig, so Claudia Friedl.
Unterstützung bekommt die Schweizer Botschaft in China auch von SVP-Nationalrat und APK-Präsident Franz Grüter. Dass Aktivisten und Kritiker der Regierung in China verschwänden, sei leider kein Einzelfall, sagt Grüter. Einem demokratischen Land wie der Schweiz stehe es gut an, darüber zu berichten. Es sei deshalb auch richtig, dass die Schweizer Botschaft öffentlich auf die Zensur ihrer Meldung auf dem chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo aufmerksam gemacht habe.
Grüter gehört wie Claudia Friedl und weitere APK-Mitglieder der parlamentarischen Gruppe Schweiz-China an. Dabei gehe es nicht um eine Sympathiebekundung gegenüber China, stellt Franz Grüter klar. Die Mitgliedschaft habe mit seinem Interesse an dem Land zu tun.
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