Verhandlungen über NuklearabkommenDer letzte Versuch, den Atomdeal mit dem Iran zu retten
Die USA und die Europäer wollen die Iraner zu einer Rückkehr zum Atomabkommen bewegen. Wenn sie nicht schnell eine Einigung erzielen, steht eine Eskalation am Golf bevor.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Im Palais Coburg hatten im Juli 2015 die Aussenminister der USA und des Iran in wochenlangen Gesprächen das Atomabkommen ausgehandelt. An diesem Montag kehren die Unterhändler zurück in das Hotel in der Wiener Innenstadt und unternehmen den finalen Versuch, die Vereinbarung noch zu retten, aus der US-Präsident Donald Trump im Mai 2018 ausgestiegen war.
Sein Nachfolger Joe Biden hat erklärt, zu dem Abkommen zurückkehren zu wollen. Die Frage wird nun sein, ob auch der neue iranische Präsident, der Hardliner Ebrahim Raisi, und das Regime unter dem Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei dazu bereit sind.
Der Iran hat das Abkommen zwar nie gekündigt, ist aber von Mai 2019 an immer weiter abgerückt von den Bestimmungen, die dem Atomprogramm des Landes enge Schranken setzen. Die Regierung von Präsident Hassan Rohani, der zur Wahl im Juni nicht mehr antreten durfte, hatte in sechs Verhandlungsrunden schon einen guten Teil des Textes für eine Vereinbarung ausgehandelt, mit der beide Parteien zurückkehren würden zur Einhaltung des «Joint Comprehensive Plan of Action», wie das Abkommen heisst.
Eigentlich wollen die politischen Direktoren der Aussenministerien in London, Paris und Berlin sowie der EU-Unterhändler Enrique Mora die Gespräche an dem Punkt fortsetzen, an dem sie im Juni unterbrochen worden waren. Auch Russlands Vertreter, Botschafter Michail Uljanow, fordert das.
Doch dürfte der neue Atomunterhändler des Iran, der stellvertretende Aussenminister Ali Bagheri-Kani, am Samstag mit anderen Instruktionen aus Teheran in die österreichische Hauptstadt geflogen sein. (Lesen Sie zum Thema die Iran-Analyse «Wie mit den Hardlinern umzugehen ist».)
Hatte sein Vorgänger in von den Europäern vermittelten indirekten Gesprächen mit dem US-Sondergesandten für den Iran, Robert Malley, bereits eine grundsätzliche Verständigung erzielt, welche Sanktionen Washington aufgeben würde, wenn der Iran das Abkommen wieder einhält, fordert die Regierung Raisi, dass die USA alle Strafen gegen die Islamische Republik aufheben, die sie seit 2017 verhängt haben.
Betroffen wären also nicht nur Massnahmen, die sich gegen das Atomprogramm richten, sondern auch solche, die wegen der Unterstützung von Terrorismus oder der Verletzung grundlegender Menschenrechte verhängt worden sind. Wenn der Iran mit dieser Haltung in die Wiener Gespräche gehe, werde man nicht weit kommen, sagte einer der westlichen Unterhändler.
Auch machen die westlichen Staaten Druck beim Zeitplan. Wenn es keine schnelle Einigung gebe, verliere das Abkommen seinen Wert, argumentieren sie. Der Iran hat sein Atomprogramm mittlerweile so ausgebaut, dass es nur noch vier bis sechs Wochen bräuchte, um genug hochangereichertes Uran für eine Atombombe zu produzieren – das ist die sogenannte Ausbruchszeit.
Die iranische Regierung hat bisher auf Zeit gespielt und die Urananreicherung ausgebaut.
Zwar kann das Land seine Uranvorräte leicht wieder unter die im Abkommen erlaubten Limits bringen. Seine Techniker haben aber zum Beispiel entgegen den Bestimmungen leistungsfähige Zentrifugen zur Urananreicherung entwickelt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können nicht rückgängig gemacht werden.
Die Ausbruchszeit ist zwar im Abkommen nirgends erwähnt. Zusammengenommen sollten seine Vorschriften aber garantieren, dass sie mindestens ein Jahr beträgt. Diese Frist lässt sich, wie europäische Diplomaten eingeräumt haben, ohnehin nicht wieder herstellen.
Bislang hat die Regierung Raisi auf Zeit gespielt und die Urananreicherung ausgebaut. Zugleich hindert Teheran die Inspektoren der Internationale Atomenergiebehörde daran, die Nuklearanlagen so streng zu überwachen wie in dem Abkommen vorgesehen, und verweigert die Aufklärung über Aktivitäten in der Vergangenheit, die der Entwicklung eines Sprengkopfes gedient haben könnten.
Der US-Sondergesandte Malley warnte, wenn der Iran versuche, die Verhandlungen als Deckmantel für ein beschleunigtes Atomprogramm zu nutzen und sich nicht zu bewegen, würden die USA «auf eine Art und Weise reagieren müssen, die nicht unserer Präferenz entspricht». Niemand sollte überrascht sein, wenn «an diesem Punkt der Druck auf den Iran erhöht wird». (Lesen Sie auch den Artikel «Warum auch Biden im Osten zu scheitern droht».)
US-Präsident Biden steht in der Iran-Frage nicht nur innenpolitisch unter Druck, sondern auch seitens der wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten und in der Golfregion. Israels Ministerpräsident Naftali Bennett stellte bereits klar, dass sich sein Land an ein neues Atomabkommen mit dem Iran «nicht gebunden fühlen» werde.
Israel droht mit Militärschlag
«Wir werden die Fehler vom letzten Mal nicht wiederholen, als das Abkommen uns in einen Schlaf versetzt hat», sagte Israels Regierungschef. «Wir behalten uns die Freiheit zum Handeln vor.» Mit dieser unverhohlenen Drohung mit einem Militäreinsatz schlägt er den gleichen Kurs ein, den rhetorisch schon sein Vorgänger Benjamin Netanyahu verfolgt hatte – doch Bennett gilt als deutlich entschlussfreudiger.
Gerichtet ist seine Warnung dabei nicht nur an Teheran, sondern auch an Biden. Und das deutet auf einen Konflikt der beiden Partnerländer hin, der sich in den letzten Wochen verschärft hat. Denn bereits vor Bennetts Auftritt hatten die Amerikaner die Samthandschuhe ausgezogen.
Via «New York Times» warnten «hohe Regierungsvertreter» Israel vor weiteren Sabotageattacken gegen iranische Nukleareinrichtungen. Sie seien «vielleicht taktisch befriedigend, aber am Ende kontraproduktiv» und hätten in der Vergangenheit nur dazu geführt, dass Teheran sein Atomprogramm beschleunigt habe.
Einheitlich ist die Haltung der israelischen Regierung zum Iran allerdings nicht: Verteidigungsminister Benny Gantz sicherte den USA weiter «volle Kooperation» zu und sprach sich für ein «breiteres, stärkeres und längeres» Abkommen mit dem Iran aus. Wenn das allerdings nicht zu erreichen sei, dann brauche die Welt «einen Plan B zur diplomatischen Lösung».
Mit dem Rückzug der USA beginnt am Golf eine Politik der Annäherung.
Washingtons arabische Partner am Golf mahnen «eine dringende beidseitige Rückkehr zur vollen Einhaltung des Atomabkommens» an. Sie sind ähnlich wie die Israelis aber unglücklich darüber, dass sie bei den Verhandlungen des essenziellen Sicherheitsthemas ihrer Region nicht mit am Tisch sitzen. Jedoch sehen sie sich auch nicht in gleichem Masse gefährdet wie der jüdische Staat, erklärter Erzfeind des islamistischen Regimes in Teheran.
Die Golfstaaten sind überdies kein monolithischer Block. Katar nahm ein hartes Embargo seiner Nachbarn in Kauf, um die Beziehungen zu Teheran zu erhalten. Oman und Kuwait haben ihre Gesprächskanäle nach Teheran stets offen gehalten und als Vermittler fungiert.
Die Vereinigten Arabischen Emirate hiessen erst jüngst den iranischen Unterhändler Bagheri-Kani in Dubai willkommen. Das Treffen betone «die Wichtigkeit, die Beziehungen zu stärken auf der Grundlage guter Nachbarschaft und gegenseitigen Respekts». Und Saudiarabien führt seit April Gespräche mit den Iranern in Bagdad, bisher aber ohne konkrete Ergebnisse.
Die Politik der Annäherung am Golf gründet wohl auch auf der Einsicht, dass Trumps Politik des «maximalen Drucks» gegenüber dem Iran zu nichts geführt hat. Auch weiss man darum, dass sich die Rolle der USA verändert. Washington konzentriert sich auf den Konflikt mit China und ist offenbar nicht mehr dazu bereit, grosses politisches oder militärisches Kapital in anderen Regionen zu investieren.
Fehler gefunden?Jetzt melden.