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Lettland schliesst Exilsender 
Der Kreml freut sich, dass die Journalisten verstummen

Verliert seine Sendelizenz in Lettland, obwohl er seit Jahren kritisch über Russland berichtet: Der unabhängige TV-Kanal Doschd.
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Am besten beginnt man diese Geschichte mit den letzten Worten der allerletzten Sendung von Doschd in Russland. Die Redaktion hatte Wladimir Putins Feldzug von Anfang an verurteilt, doch dann wurde das Risiko für sie zu gross. Zum Abschied versammelte die Gründerin des TV-Senders Anfang März ihre Mitarbeiter vor laufender Kamera. «Kein Krieg!», sagte sie zum Schluss, dann verliessen alle gemeinsam das Studio.

Die meisten der Journalisten flohen ins Ausland. In Lettland erhielt die Redaktion am 6. Juni eine Sendelizenz und richtete ein Studio ein. Riga ist längst zur zweiten Heimat für viele russische Medien geworden, offene Kreml-Kritik ist ihnen nur aus dem Exil möglich. Nun aber ist etwas passiert, das die Exilgemeinschaft erschüttert: Doschd verliert seine Lizenz nach weniger als einem halben Jahr wieder, die lettische Medienaufsicht wirft dem russischen Sender vor, Putins Krieg zu unterstützen.

Freiheit sei nur eine «Illusion»

Chefredaktor Tichon Dsjadko beschrieb auf Telegram ein Gefühl von Déjà-vu: Doschd war vor acht Jahren schon einmal aus dem Kabelnetzwerk verbannt worden, damals in Russland. Der Sender ist dann ins Internet ausgewichen, wurde später zum Auslandsagenten erklärt, blockiert und schliesslich aus dem Land vertrieben. Vor diesem Hintergrund wirkt absurd, dass Lettland den Journalisten vorwirft, Putins Propaganda zu verbreiten. Im Kreml freut man sich über den Konflikt: Die Leute dächten, woanders gebe es Freiheiten, die in Russland fehlten, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow, jetzt stellten sich die «Illusionen» als falsch heraus.

Erlebt mit seinem Fernsehsender Doschd ein Gefühl von Déjà-vu: Chefredaktor Tichon Dsjadko.

In der Abendsendung, die Doschd zum Verhängnis wurde, ging es um die Lage russischer Mobilisierter an der Front. Diese ist, gelinde gesagt, prekär. Doch genau dies festzustellen, ist in Russland oft strafbar. Moderator Alexei Korostelew lud Soldaten und Angehörige ein, sich mit Informationen an die Redaktion zu wenden. «Wir hoffen, dass wir vielen Soldaten helfen können», begann er dann den folgenreichen Satz, «zum Beispiel mit Ausrüstung und grundlegenden Bequemlichkeiten an der Front.» 

Die lettischen Behörden werteten dies als Beweis, dass Doschd die russische Armee aktiv unterstütze. Zuvor hatten sie bereits kritisiert, dass man bei Doschd von «unserer» Armee gesprochen und es nicht immer lettische Untertitel unter den Beiträgen gegeben hatte. Weil er die Krim auf einer Karte als russisches Gebiet gekennzeichnet hatte, musste der Sender 10’000 Euro Strafe zahlen. Für Korostelews Worte entschuldigte sich die Redaktion, nannte sie einen «Fehler», der Moderator wurde entlassen, dann wieder eingestellt, weil jeder schliesslich mal Fehler machen kann. Nichts half.

Doschd sei «für Millionen Russen zur Quelle der Wahrheit über diesen Krieg» geworden, schreibt Nawalny.

Dabei ist Doschd genauso gegen den Krieg wie die anderen Medien, die nun von Riga aus arbeiten. Medusa, das vor acht Jahren als Exilmedium in Riga gegründet wurde, nannte die Entscheidung der Medienaufsichtsbehörde «unfair, falsch und unverhältnismässig». Praktisch alle unabhängigen Medien Russlands haben Medusas Erklärung zur Unterstützung von Doschd unterschrieben. Auch der eher medienkritische Alexei Nawalny sprang dem Sender bei. Doschd sei «für Millionen Russen zur Quelle der Wahrheit über diesen Krieg» geworden, schrieb er in den sozialen Medien. 

In Lettland ist die Entscheidung umstritten. Aussenminister Edgars Rinkevics hatte im Sommer die erste Sendung von Doschd noch sehr begrüsst. «Russen in Russland und überall in der Welt brauchen wahrheitsgetreue Informationen über den Krieg, die Welt und die Wirklichkeit in Russland», twitterte er damals. Jetzt sagte er, es sei richtig gewesen, Doschd die Lizenz zu geben, aber der Sender müsse sich natürlich an die lettischen Gesetze halten. 

Auch von Youtube verbannt

Der lettische Journalistenverband stellt sich deutlich gegen die Entscheidung. Besonders die Idee, Doschd auch von Youtube durch Geoblocking zu verbannen, kritisiert der Verband scharf. Schliesslich sei dort jede Menge kremlfreundliche Propaganda im Umlauf, gegen die lettische Behörden nichts ausrichten könnten. 

Der Abgeordnete Didzis Smits hingegen erklärte, er wolle grundsätzliche keine russischen Medien in Lettland. Smits, Mitglied der Grünen-Partei, gehört im lettischen Parlament dem Ausschuss für Menschenrechte an. «Die Tatsache, dass einige russische Medien gegen Putins Regime sind, heisst noch lange nicht, dass sie freundlich zu uns sind», zitiert ihn die «Baltic Times».