Beben in Snooker-SzeneDer König kehrt zurück
Stephen Hendry war einst der unangefochten beste Snookerspieler der Welt – nun wagt er sein Comeback als Profi. Mit 51 Jahren. Warum?
Ob er sich mit diesem Comeback wirklich einen Gefallen tut? Das ist eine berechtigte Frage, und trotzdem wird sie im Snooker-Kosmos aktuell gar nicht so häufig gestellt, wie man meinen könnte. Stephen Hendry kehrt zurück! Allein diese Ankündigung versetzt die Sportart in vorfreudige Schnappatmung, schliesslich ist Hendry nicht irgendein Spieler, der mal ein paar Bälle erfolgreich gelocht und einige Titel gewonnen hat.
Hendry war der König des Snookers, ein siebenfacher Weltmeister, der in den Neunzigern für acht Jahre ununterbrochen an der Spitze der Weltrangliste stand, bis der junge Ronnie O'Sullivan kam und die Wachablösung einleitete. Wer fragt, auf wen die nachhaltigsten Entwicklungen der Sportart zurückgehen, erhält als Antwort meist: Hendry.
Der Schotte hat das moderne Breakbuilding entwickelt und Snooker auf eine neue Stufe gehoben. Er gilt als Erfinder der langen roten Kugel, mit der noch heute die meisten Breaks eröffnet werden – ein Ball, der in der Zeit vor Hendry als viel zu riskant eingestuft wurde. Hendry dominierte die Neunziger anschliessend nach Belieben, spielte auch in den Nullerjahren noch gut mit. 2012 trat er zurück, auf einer denkwürdigen Pressekonferenz, auf der er sagte, dass er sein Topniveau leider nicht mehr erreichen könne – und ihm anschliessend der Saal stehend applaudierte.
«Ich habe die Aufregung am Tisch vermisst.»
Nun will es Hendry, mittlerweile 51, tatsächlich nochmal wissen. Er war ja nie ganz weg, hat für das britische Fernsehen Snooker-Turniere analysiert, die Wangen sind etwas fülliger geworden, der Bart im Gesicht sieht zauselig aus. «Ich habe die Aufregung am Tisch vermisst», sagt Hendry, «Snooker ist alles, was ich kenne, und es macht Spass, wieder zu spielen.» Er hat kürzlich auf der halbprofessionellen Senioren-Tour das WM-Halbfinale erreicht, zudem ein paar Trainingssessions mit dem bekannten Coach Steve Feeney absolviert.
Der hatte schon Mark Williams zu einem nicht für möglich gehaltenen Comeback verholfen, das dieser im Alter von 43 Jahren mit dem WM-Titel 2018 krönte. Nun hat Hendry eine von Snooker-Weltverbandschef Barry Hearn ausgesprochene Wildcard für die kommenden beiden Spielzeiten akzeptiert. Hendry sei «ein Gigant», jubilierte Hearn über diesen Coup, der die auf der Insel ohnehin sehr populäre Sportart noch weiter ins Interesse rücken wird: «Alle Augen werden auf ihn gerichtet sein».
Eine Frage der Erwartungen
Mit der Aufmerksamkeit wird der medienerprobte Hendry zweifellos klarkommen; fraglich ist eher, ob er sportlich mithalten kann. Acht Jahre war er weg von der Tour, mittlerweile haben junge Spieler wie Judd Trump oder Kyren Wilson das Geschehen übernommen, die Hendrys beste Zeiten nur aus dem Fernsehen kennen. Hendry tut gut daran, keinerlei Erwartungen zu formulieren. Der verbissene Ehrgeiz aus den Zeiten seiner ersten Karriere scheint passé. «Es würde doch Spass machen, für ein paar Überraschungen zu sorgen», sagt Hendry lieber; auch das Risiko, sein erstes Spiel gleich zu Null zu verlieren, gehe er gerne ein.
Viele Fans erwarten etwas mehr. Mit seinem Sieg bei der WM im August hat Ronnie O'Sullivan gerade Hendry den Rekord für die meisten Erfolge bei Ranglistenturnieren entrissen. O'Sullivan steht jetzt bei 37, Hendry bei 36, wäre es da vielleicht, ganz vielleicht doch möglich, dass Hendry sich seinen Rekord zurückholt? Mal abwarten. Seinen Einstand gibt Hendry vermutlich im September beim European Masters in Milton Keynes.
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