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Bäckerei in Thalwil
Der König ist immer im zweiten Brötchen von links

Bäcker-Konditormeister Hansruedi Kölliker zeigt den geformten Brotteig, der erst einmal abkühlen muss.
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Ein Wagen mit Kontrollschild des Nachbarkantons hält kurz vor acht Uhr am Morgen beim Köllibeck in Thalwil. Der gut gekleidete Herr verschwindet im warm leuchtenden Laden, kommt kurz darauf mit zwei grossen Königskuchen in den Armen wieder heraus und braust davon. Es ist zwar erst der 5. Januar, aber das Geschäft mit dem Traditionsgebäck scheint bereits zu laufen.

44 Königskuchen seien seit sechs Uhr in den Filialen in Thalwil, Gattikon und Oberrieden über den Tresen gegangen, sagt die Verkäuferin. Das sei nicht besonders viel, «morgen wird es ganz anders aussehen». Das Kassensystem, das genau anzeige, wo, wann und was verkauft wird, sei eine grosse Hilfe für den Chef. So wisse dieser um die Nachfrage Bescheid. Die Verkäuferin ist Marita Kölliker, und der Chef, das ist ihr Ehemann.

Wie Valentinstag für Bäcker

In schwarz-weiss karierten Hosen, einem schwarzen Arbeitshemd, weisser Mütze und mit Schutzmaske tritt Hansruedi Kölliker aus der Backstube. Der Bäcker-Konditormeister, FDP-Gemeinderat und Finanzvorstand der Gemeinde Thalwil legt auch als Chef regelmässig Hand an in der Produktion. In früheren Jahren sei es trotzdem schon vorgekommen, dass am 6. Januar mittags die Regale mit den Dreikönigskuchen leer waren, sagt er. Das bedeutet dann, dass der Köllibeck rund 2000 Stück verkauft hat. So viel produziert er jeweils. Heuer sei die Planung schwierig. «Weil wir normalerweise viele Königskuchen an Büros liefern. Diese Aufträge fallen wegen Homeoffice weg, und wir wissen nicht, ob sie durch Familien kompensiert werden.»

Das Arbeitstempo in der Backstube ist hoch. 2000 Königskuchen müssen her.

Der Dreikönigstag sei für die Bäckerei das, was der Mutter- oder Valentinstag für ein Blumengeschäft darstelle, sagt Kölliker. Für den Unternehmer und Chef ist er vor allem eines: ein anstrengender, aber erfolgversprechender Start ins Arbeitsjahr.

Schokolade statt Sultaninen

In der Backstube arbeiten vier Männer – den Chef mitgezählt – am Teig für die Dreikönigskuchen. Das meiste ist Handarbeit, ein paar Schritte erleichtern Geräte wie die Knetmaschine. Einer der Bäcker ist seit Mitternacht hier – er hat bald Feierabend. «Es wird eine strenge Woche», sagt Kölliker. Denn andere Arbeiten, die anfallen, würden wegen der Königskuchenproduktion aufgeschoben. Doch jetzt geht es erst einmal an den reichhaltigen Teig, der viel Butter und Eier enthält.

Weil sich viele Kunden nicht für Sultaninen begeistern können, bietet der Köllibeck das süsse Gebäck auch mit Schokoladenstückchen an.

Marita Kölliker gibt ihrem Ehemann eine Bestellung für die Sekundarschule Thalwil durch, die soeben telefonisch eingegangen ist. Schulen seien seit einigen Jahren gute Abnehmer der Dreikönigskuchen, sagt Kölliker. Auf einem Zettel ist ersichtlich, dass auch ein Lehrer vom Oberriedner Primarschulhaus Pünt für seine Klasse einen Königskuchen bestellt hat: 29-teilig soll er sein. Normalerweise hat der Kunde die Wahl zwischen sechs-, acht- oder zehnteiligen Exemplaren, nach Originalrezept mit Sultaninen oder alternativ mit Schokoladenstückchen. Für die Schulen macht der Köllibeck gerne eine Ausnahme. «Eine Zeit lang war es zudem Mode, dass die Schulen in jedem Brötchen einen König versteckt haben wollten», sagt Kölliker.

Mit Erinnerungen verbunden

In eindrücklichem Tempo teilt einer der Männer die Teigmasse, anschliessend werden die Stücke rund geformt und auf einem Blech arrangiert. Zwei Bäcker rollen die kleinen Plastikfigürchen jeweils in eine der Kugeln ein. «Wenn sauber gearbeitet wird, erkennt man nicht, in welchem Brötchen der König steckt», sagt Kölliker. Andernfalls sei er meist in dem Stück, dessen Form sich von den anderen abhebe – und nie in der Mitte. Der Bäckermeister hat noch einen weiteren Tipp auf Lager: Das Figürchen sei immer im zweiten Brötchen von links. Trüge er keine Maske, sähe man ihn jetzt wohl grinsen.

Wenn der König fachmännisch in den Teig eingearbeitet wird, dann ist nicht zu erkennen, in welchem Brötchen er steckt.

Das Traditionsgebäck schmecke ihm persönlich sehr gut, sagt Kölliker. Und es weckt Erinnerungen: an damals, als er noch ein kleiner Junge war und am Familientisch der Vater und die Schwester gleichzeitig behauptet hätten, den König gefunden zu haben. «Der Tag war für uns immer speziell, weil wir die Königskuchen ja selber herstellten.» Kölliker führt den Betrieb bereits in der sechsten Generation.

Sollte der Köllibeck nicht alle Exemplare loswerden, tut er damit dasselbe wie mit allem nicht verkauften Brot: Er schenkt es Bauern, die es verfüttern. Bei den Dreikönigskuchen hat das nur einen Haken: Die Bäcker müssen zuerst die Plastikkönige wieder aus den Brötchen grübeln.