NFL-Shootingstar Joe BurrowDer junge Heilsbringer raucht Zigarre
Nach einer schlimmen Verletzung beweist der Quarterback, dass er jeden Rückschlag wegstecken kann. Und führt das zuvor schlechteste Team der NFL in den Halbfinal.

Für die Fans des notorischen Verliererteams aus Cincinnati hatte die schauerliche Szene eine längst vertraute Logik. Joe Burrow hiess diesmal der Hoffnungsträger, ein junger Quarterback mit immensem Talent, der den Bengals nach 53 erfolglosen Jahren endlich einen Titel bringen sollte. Dann kam der November 2020, Burrows erst zehntes Spiel in der National Football League: Ein Gegenspieler fällt ihm seitlich ins durchgestreckte Knie, der 23-Jährige muss vom Feld gefahren werden. Kreuzband gerissen, Meniskus gerissen, dazu diverse weitere Schäden im linken Knie. Die Saison von Burrow ist damit beendet, die Hoffnungen der Bengals-Fans zerstört – einmal mehr.
Einmal mehr also wurde es nichts mit einer Erfolgsgeschichte in Ohio. Der Bundesstaat landet in Ranglisten bezüglich Lebensqualität regelmässig weit hinten in den USA. Und die Bengals taten auf dem Football-Feld jahrzehntelang wenig, um dieses Verliererimage zu ändern. Sogar dass sie Burrow überhaupt unter Vertrag nehmen konnten, lag an ihrem Misserfolg: Nur 2 Siege aus 16 Spielen machten Cincinnati 2019/20 zum schlechtesten Team der Liga und verschafften ihm das Recht, bei der Spielerziehung an erster Stelle zu wählen. Es gab schon schwierigere Draft-Entscheidungen als Joe Burrow: ein spektakulärer Quarterback, ein Siegertyp im College, dazu noch aufgewachsen in Ohio.
Dass er von seinen ersten neun Bengals-Spielen bloss zwei gewann, blieb sekundär. Seine Art, sein Auftreten, sein Talent: Es war klar, dass Cincinnati seinen Quarterback der Zukunft gefunden hatte. Dann kam dieses fatale zehnte Spiel. Und die Hoffnungen der Bengals lagen ebenso in Fetzen wie Burrows Knie. Alles passte wieder zu Cincinnati – vor allem früh in der Karriere kann eine solch schlimme Verletzung schwerwiegende Folgen haben.
Viele bezweifelten darum, dass er in alter Stärke zurückkommen könnte. Und in der Vorbereitung zu seiner zweiten NFL-Saison hatte er dann auch grosse Probleme, selbst vermeintlich leichte Würfe gelangen ihm nicht mehr. Burrow sprach von einer mentalen Blockade, er fühle sich auf dem Footballfeld nicht wohl. Die Buchmacher sahen die Bengals erneut als eines der schlechtesten Teams der Liga, die Playoffs traute ihnen kaum jemand zu. Der mittlerweile 25-Jährige und Cincinnati aber sollten Gegner, Experten und Fans gleichermassen überraschen.
In Situationen, in denen andere markant nachlassen, wird Burrow sogar noch besser.
Rechtzeitig zu Saisonbeginn war von den Problemen aus der Vorbereitung plötzlich nichts mehr zu sehen. Bereits im ersten Spiel nach seiner Rückkehr führte er sein Team mit einer starken Leistung zum Sieg, total gewannen die Bengals 10 ihrer 17 Spiele und qualifizierten sich erstmals seit sechs Jahren wieder fürs Playoff. Dort besiegten sie zunächst Las Vegas und gewannen dann auch gegen das beste Regular-Season-Team der Conference, die Tennessee Titans. Davor wartete Cincinnati 31 Jahre lang auf einen Playoff-Erfolg, nun hatten sie zwei innert einer Woche. Burrow wurde auf Anhieb einer der besten Quarterbacks der Liga.
Kein anderer Quarterback holte so viel aus seinem Team heraus wie Burrow, im Vergleich zu den anderen drei Playoff-Halbfinalisten ist das Kader von Cincinnati am schlechtesten besetzt. Besonders beeindruckend ist die Ruhe, die er ausstrahlt. Selbst wenn die Verteidiger kurz davor sind, ihn zu Fall zu bringen, spielt Burrow tadellos. Mehr noch: Während andere Quarterbacks in solchen Situationen markant nachlassen, wird Burrow sogar noch besser. In jeden Spielzug gehe er mit der Sicherheit, dass er ihn erfolgreich abschliesse, sagt Trainer Zac Taylor, «das ist ganz einfach seine Mentalität». Man merkt bei Burrow, dass er sich schon früher in schwierigen Situationen befand – wenn auch nicht als Profi.

Denn bereits am College musste er einen Rückschlag verarbeiten. Als ihm an der Ohio State University ein drittes Jahr als Ersatzspieler drohte, wechselte Burrow an die Louisiana State University (LSU), wo er direkt stark aufspielte. Sein zweites Jahr an der LSU war es dann, das ihm nationale Bekanntheit brachte und ihn auf den Listen der Experten und Scouts nach ganz oben klettern liess.
Es war eines der besten Jahre eines College-Quarterbacks der Geschichte: LSU gewann auf dem Weg zum College-Titel, der in den USA ein fast so grosses Ansehen besitzt wie die Super Bowl, alle 15 Spiele – die meisten davon deutlich. Nach dem Titelgewinn ging ein Bild viral, auf dem Burrow Zigarre rauchend abgebildet war. Es wurde zu seinem Markenzeichen nach wichtigen Siegen.
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Sein Selbstvertrauen darf aber nicht mit Arroganz verwechselt werden. Er habe zu jedem einzelnen Teamkollegen eine gute Beziehung. «Das macht ihn als Leader aus», sagt sein Ersatz Brandon Allen. Burrows Selbstbewusstsein strahlt auch auf seine Mitspieler ab, wie man bei Kicker Evan McPherson sehen kann. Als der im Viertelfinal zum entscheidenden Field-Goal-Versuch aufs Feld lief, sagte er zu seinen Teamkollegen: «Sieht so aus, als würden wir in den Halbfinal einziehen.» McPherson verwandelte ihn zum 19:16 in Tennessee.
Am Sonntag treten Joe Burrow und die Cincinnati Bengals bei den Kansas City Chiefs an. Vor vier Wochen gewannen die Bengals im Direktduell überraschend. Dennoch sind sie klarer Aussenseiter, nach den letzten Leistungen von Burrow wäre aber niemand so richtig überrascht, sollte Cincinnati erneut als Sieger vom Platz gehen. Für diesen Fall dürfte Burrow sicher mit einem Mitbringsel aus der Karibik gerüstet sein.
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