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Er leitete das «Hotel Ruanda»
Der Held, der störte

Kritiker des Präsidenten Paul Kagame: Paul Rusesabagina nach der Festnahme in Kigali.
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Vor vielen Jahren hat Paul Rusesabagina einmal gescherzt, dass ihn die Regierung von Ruandas Präsident Paul Kagame nicht einmal mehr kochen würde, sondern gleich roh verzehren, sollte er jemals in sein Heimatland zurückkehren, so sehr hasse ihn der Staatschef. Am Montag ist Rusesabagina nach Jahrzehnten im Ausland wieder in Ruanda gelandet. Er wurde verhaftet und danach in Handschellen auf einer Pressekonferenz in Kigali vorgeführt, selbst sprechen durfte oder wollte er nicht.

Ihm werde Terrorismus, Brandstiftung und Entführung sowie Mord in zwei Fällen vorgeworfen, sagte ein Sprecher des ruandischen Ermittlungsbüros. Die Verhaftung habe durch «internationale Kooperation» gelingen können, sagten die Ermittler.

Die in Belgien und den USA lebende Familie von Rusesabagina spricht hingegen von einer «Entführung». Seine Ehefrau berichtete, ihr Mann habe sich auf dem Weg nach Dubai befunden. «Eigene Gedanken zu haben, ist in manchen Ländern ein Verbrechen», sagte sein Sohn nach der Verhaftung. «Er ist ein regelmässiger Kritiker der Menschenrechtsverletzungen in Ruanda. Und die Regierung dort legt regelmässig falsche Beschuldigungen gegen alle Kritiker vor, um sie zum Schweigen zu bringen.»

Oskar Schindler Ostafrikas

Paul Rusesabagina galt in Ruanda einmal als Held, auf den auch Staatschef Kagame stolz war. Hollywood verfilmte das Leben des heute 66-Jährigen mit «Hotel Ruanda», das Werk wurde für einen Oscar nominiert. Im wahren Leben heisst das Hotel «Tausend Hügel» und steht in der Hauptstadt Kigali. Während des Genozids 1994 war Rusesabagina dort Geschäftsführer und rettete 1268 Menschen sehr wahrscheinlich das Leben, Tutsi und moderaten Hutu, die er vor den Schlächtern in Sicherheit brachte. Den mordenden Hutu-Milizen bot er Geld und Whisky, damit sie sein Hotel verschonten. Er wurde zu einer Art Oskar Schindler Ostafrikas.

Nach dem Völkermord zog er nach Belgien, er schrieb Bücher und hielt auf der ganzen Welt Vorträge. US-Präsident George H. W. Bush zeichnete ihn aus, Hollywood verfilmte sein Leben. Er wurde in der Welt gefeiert, machte sich aber zu Hause zunehmend unbeliebt. Mal nannte er Präsident Kagame einen «Diktator», mal prophezeite er, dass sich der Genozid in umgekehrter Form wiederholen werde. Einige Hinterbliebene beschuldigten ihn, seine Rolle bei der Rettung der Flüchtlinge im Hotel übertrieben und von Hilfesuchenden Geld verlangt zu haben.

Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung Kagame vor, Kritiker einzusperren oder gar umzubringen.

Rusesabagina konterte, das Geld sei nötig gewesen, um die mordenden Banden zu bestechen. Zwei Jahre nach dem Genozid zog er nach Belgien, fuhr Taxi und wurde schliesslich belgischer Staatsbürger. Nachdem ihn der Film berühmt gemacht hatte, äusserte er sich regelmässig zu den politischen Entwicklungen in seiner Heimat, rief die Europäer auf, stärker auf die Einhaltung der Menschenrechte in Ruanda zu achten.

Stoff für Hollywood: Szene aus dem Film «Hotel Ruanda», der in der Zeit des Genozids in Ruanda spielt.

Ruanda hat sich seit dem Völkermord zu einem wirtschaftlichen Musterland entwickelt. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung Kagame aber vor, Kritiker einzusperren oder gar umzubringen. Vor sechs Monaten wurde der Sänger und Kagame-Kritiker Kizito Mihigo tot in einer Polizeizelle aufgefunden.

Südafrikanische Ermittler fordern von Ruanda die Auslieferung zweier Beschuldigter, die den ehemaligen Geheimdienstchef Ruandas in Johannesburg erschossen haben sollen, der auf Distanz zur Kagame gegangen war. «Jede Person, die noch lebt und sich gegen Ruanda verschwört, wird den Preis zahlen», hatte Kagame einmal gesagt.

Angebliche Finanzierung von Terror

Rusesabagina werfen die Justizbehörden vor, die Gruppe «Ruandische Bewegung für demokratischen Wandel» mitgegründet und -finanziert zu haben, deren bewaffneter Arm FLN immer wieder Anschläge verübe. Ruandas Justiz sieht die Gruppe als eine von vielen Rebellenarmeen, die von den Nachbarländern Burundi und der Demokratischen Republik Kongo aus einen Umsturz planten.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP hatte der nun verhaftete Rusesabagina im Jahr 2018 ein Video auf Youtube gepostet, in dem er davon spricht, dass die FLN Ruanda von einer oppressiven Regierung «befreien» wolle. In Interviews und Stellungnahmen hatte er aber bestritten, die FLN mitfinanziert zu haben. Seine Familie appellierte nun an die belgischen Behörden, sich für die Freilassung von Paul Rusesabagina einzusetzen.

Ein Ort der Rettung während des Völkermords: Das Hôtel des Mille Collines in Kigali.