Gartenkolumne «Nachgehackt»Der Frühling ruft
Eigentlich sollte es unsere Gartenkolumnistin besser wissen: Aber wie jedes Jahr gibt es Ende Februar kein Halten mehr.
Sie mochten mal wieder nicht warten. Streckten ihre Köpfchen schon Anfang Februar neugierig aus dem Boden. Dann kam noch einmal Schnee, anschliessend die grosse Kälte, die sie mit Eisglanz überzog. Zum Glück sind Schneeglöckchen ziemlich resistent und blühen jetzt, bei fast schon frühlingshaften Temperaturen, richtig auf.
Und ich erst! Der Garten lockt. Meine Samen für Radiesli, Schnittsalat und Rucola liegen bereit. Das Frühbeet, aus dem ich vor zwei Wochen den letzten Nüssler geerntet habe, ist parat. Der Mann hat es bereits vor längerer Zeit mit den schweren Gärtnereifenstern zugedeckt, die so massiv sind, dass ich sie gar nicht selber heben kann. Wir haben sie vor Jahren auf der anderen Seite des Kantons geholt, sie waren kostenlos, niemand wollte sie mehr haben. Ihre Wirkung ist grossartig, nur sind sie eben nicht gerade handlich. Durchs Fensterglas kommt viel Sonne, wärmt den Kasten auf, trocknet den Boden und verfrüht die Gartensaison um einige Wochen. Es ist also höchste Zeit.
Die grosse Kunst des Wartens
Der Mann lacht mich aus. «Hattest du nicht letztes Jahr verkündet, es bringe nichts, zu früh im Garten zu beginnen?», spottet er. «Dass die grosse Kunst sei, geduldig zu warten, weil die Pflänzchen erst bei guten Bedingungen wachsen würden?» Das mag sein, aber letztes Jahr ist vorbei. Ausserdem spreche ich ja nicht vom Freiland, ich spreche vom Frühbeet, vom ersten eigenen Salat, den ich an Ostern essen will. Dafür muss man etwas tun.
Wobei es da noch viel zu verhandeln gibt. Das Erste: Pferdeäpfel. Damit das Frühbeet gut funktioniert, schaufeln wir es alle drei Jahre aus, geben Pferdemist darunter und füllen es wieder mit Erde auf. Der Pferdemist verrottet langsam und gibt dabei Wärme ab, er sorgt für eine natürliche Beheizung. Leider ist diese Aktion ziemlich aufwendig, und im Frühbeet dominiert danach eine solch potente Düngerbombe, dass wir finden, alle drei Jahre reiche aus. Jetzt ist Jahr zwei ohne Mist, der Nährstoffgehalt und das Wärmepotenzial also geringer als in den anderen Jahren. Was theoretisch dafür spräche, etwas länger zu warten.
Auch die Schneeglöckchen sind ungeduldig
Dann ist da die Kompostfrage: Chef des Komposts ist der Mann, da er für die Schwerarbeit zuständig ist. In dieser Hinsicht sind wir klassisch konservativ aufgestellt. Beete umgraben, Löcher machen, Frühbeetfenster tragen, Kompost umdrehen, das sind seine Aufgaben. Diese Tatsache rede ich gerne schön. Weil er kräftiger sei, brauche er für diese Dinge nicht einmal halb so lange wie ich.
Die Sache hat aber einen gewaltigen Haken: Er hat mich im Griff. Schaufelt er den Kompost nicht um, kann ich auch nicht im frisch gedüngten Boden ansäen. Hebt er die Gläser nicht weg, wird mein Garteneifer ausgebremst. Vielleicht sagt er sich, er tue es zu meinem Besten. Ich aber bin resistent. Mithilfe der Tochter hebe ich die Frühbeetfenster auch ohne männliche Kraft. Ein paar Reihen sind schnell angesät. Und abends im Bett geht mir durch den Kopf: So viel anders als die ungeduldigen Schneeglöckchen bin ich nun auch wieder nicht.
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